Lasst uns froh und grausig sein
sie kurz einen Spähblick in Noras Hinterhof. Alles sah vermodert und unansehnlich aus, die Pflanzen wuchsen frei und ungehindert über Wege hinweg, der Spaniel suhlte sich in einer Art Planschbecken. Heidelore schüttelte den Kopf und stieg kräftig in die Pedale. Ihre Hüftarthrose konnte sie so gut in Schach halten, mit nur 20 km Radfahren am Tag und regelmäßigem Schwimmen im städtischen Hallenbad. Sie stand früh auf, mit Arndt, der auch als Pensionär um sieben Uhr am Frühstückstisch saß, und fand sich schon wenige Minuten nach acht am Schwimmbad ein. So vermied sie den großen Ansturm der Rentner, die gegen zehn eintrafen und das Becken für Heidelores kraftvolle, energische Schwimmstöße unpassierbar machten. Sie hatte Nora mehrfach aufgefordert, sie dienstags und donnerstags zum Schwimmen zu begleiten. Aber die wollte nicht, sie verwies sogar ganz freimütig auf ihren trägen Tagesbeginn. Heidelore hätte sich in Grund und Boden geschämt.
Sie radelte durch die Innenstadt, nahm den Weg am Main-Donau-Kanal entlang, stellte ihren Fahrradcomputer ein und maß mit halbem Auge Kilometerzahl, aktuelles Tempo, Durchschnittsgeschwindigkeit und Energieverbrauch. Nach ungefähr zehn Kilometern, knapp hinter Viereth, hielt sie an, knackte die erste Dose Weißbier und trank in resoluten Zügen die gelbe, in der Hitze dampfende Flüssigkeit. Sie entsorgte die Dose pflichtbewusst in einer Plastiktüte, die sie in ihren Satteltaschen mitführte, öffnete die zweite Dose und leerte sie mit angeekelt zusammengekniffenen Brauen. Sie sollte Arndt vorschlagen, eine Kühltasche für das Fahrrad anzuschaffen. Es könnte jedoch sein, dass gekühlte Getränke bei dieser Hitze kontraproduktiv wirkten, indem sie den Körper letztlich anregten, sich noch mehr aufzuheizen. Sie würde wirklich Arndt fragen müssen, er würde es auf alle Fälle wissen.
Sie drehte das Fahrrad um, schwang sich in den Sattel und legte den Rückweg in etwa der gleichen Zeit zurück wie den Hinweg. Stolz überholte sie ein Frachtschiff, das träge durch das braune Kanalwasser stampfte. Zu Hause hängte sie die Radfunktionswäsche zum Ausdunsten auf den Dachboden, duschte und schlüpfte in ihre Jeans, um Emma Gassi zu führen.
Emma litt an Arthrose, wie Heidelore auch, und manchmal dachte sie darüber nach, ob sie sich beide aneinander angepasst hatten, aus Sympathie, oder um ihre Zweckgemeinschaft in einem Haus ohne Liebe und Freude erträglich zu machen. Emma jedoch konnte ihre Arthrose nicht durch regelmäßiges Radfahren oder Schwimmtraining hinauszögern. Sie hinkte extrem, vor allem mit dem linken Hinterlauf, den sie manchmal nachzog, als existierte er überhaupt nicht, und es fehlte nicht viel, und Emma hätte ihn vermutlich abgeworfen wie ein Spinnenbein.
Heidelore brachte Emma zurück ins Haus. Sie zerdrückte eine Schmerztablette, mischte sie unter das Fressen und stellte Emma den Napf hin, wobei sie ein Stück Küchenkrepp unterlegte. Dann nahm sie ihren Hausschlüssel und machte sich auf den Weg, um Arndt vom Bahnhof abzuholen. Arndt traf sich alle paar Wochen mit seinen ehemaligen Kollegen. Er handhabte das wirklich klug, denn er fuhr zu den unterschiedlichen Treffpunkten umweltschützend mit der Bahn. Auf diese Weise benötigten sie das Auto nur selten, es musste folglich nicht so oft geputzt werden. Heidelore ärgerte sich über Noras schmuddeligen Wagen – noch dazu ein italienisches Modell, als gebe es nicht solide, deutsche Autos –, der innen so fleckig wie außen staubverkrustet war, und einmal, als Nora sie mit zum Fränkischen Theatersommer genommen hatte, sah sich Heidelore gezwungen, ein Handtuch unterzulegen, bevor sie sich auf dem Beifahrersitz niederließ, um ihr weißes Leinenkostüm nicht schmutzig zu machen.
Arndt mochte es im Übrigen nicht, wenn Heidelore ihn mit dem Wagen abholte. Er hielt es für gesünder, den Weg nach Hause zu Fuß zurückzulegen. Sein ganzes Berufsleben lang hatte er eine sitzende Tätigkeit ausgeübt. Außerdem hatte er vor Kurzem den Lack ihres BMW mit einem speziellen Pflegemittel imprägniert, und da war es am besten, wenn das Auto noch eine Weile in der Garage stand, geschützt vor Blattwerk und Insekten, die augenblicklich ihr Unwesen trieben und dem frischen Überzug eventuell hätten schaden können.
»Emma geht es nicht gut«, sagte Heidelore auf dem Heimweg zu Arndt. Sie spielte mit dem Gedanken, dem Hund eine Spritzenkur bei einem renommierten, naturheilkundlichen Tierarzt zu
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