Lasst uns froh und grausig sein
gönnen, damit die betroffenen Gelenke aufgebaut und Emmas Schmerzen gelindert würden. Hier lag eines der wenigen Schlaglöcher in ihrer Beziehung verborgen. Arndt hatte Heidelore geduldig erklärt, dass Emma alt sei, zu alt für einen Hund, mit ihren elf Jahren. Heidelore wollte jedesmal einwenden, zehn, Emma war erst zehn, aber sie musste sich täuschen, denn Arndt besaß ein außergewöhnlich gutes Gedächtnis für Sachverhalte, die sich in Zahlen ausdrücken ließen.
»Wir sollten daran denken, Emma bald einschläfern zu lassen«, sagte Arndt jetzt, während er seine Beine weit ausschreiten ließ, so dass Heidelore sich beeilen musste, an seiner Seite zu bleiben.
Sie mochte den Gedanken nicht, dass Emma in absehbarer Zeit nicht mehr da sein würde. Gut, sie hatte Schmerzen, und manchmal fraß sie nicht, kein gutes Zeichen bei einem Hund. Sie war auch so langsam geworden und genoss lange Spaziergänge kaum noch. Aber einschläfern? Heidelore wollte diesen Gedanken schnell vertreiben. Wen würde sie lieben, wenn nicht Emma? Irgendwo in ihrem Kopf wagte sich die Erkenntnis ein paar Zentimeter ans Tageslicht, dass man Pläne nicht lieben und auch nicht streicheln könne. Sie beschloss, das Thema erst einmal nicht mehr anzuschneiden, und lenkte Arndt in eine weniger verhängnisvolle Richtung. Der Garten war zu mähen und der Zaun zu streichen. Arndt würde das am Wochenende in Angriff nehmen.
Heidelores Leben wäre weiter diesem gemächlichen Pendelschlag zwischen Arndt und Emma, Fahrradfahren und Schwimmbad gefolgt, wenn nicht Arndt eines Abends davon sprach, dass es an der Zeit wäre, Norman in Uruguay zu besuchen. Heidelore und Arndt hielten es beide für notwendig, ihren Sohn und natürlich auch seine Familie einmal im Jahr zu sehen. In den geraden Jahren flogen sie nach Südamerika, in den ungeraden kam Norman mit Anhang. Heidelore überlegte, ob es eine Unpässlichkeit gebe, die es ihr erlauben würde, zu Hause zu bleiben. Sie mochte ihre Schwiegertochter nicht, sie mochte das ganze unverständliche, fremde Land in der Neuen Welt nicht, sie fürchtete sich vor dem Flug und den daraus resultierenden Eventualitäten wie Entführung, Absturz und Thrombose. Das Essen, das Normans Frau kochte, vertrug sie schlecht, und sie verstand es nicht gut, sich einem anderen Lebensrhythmus anzupassen, was sie mit ihrem fortgeschrittenen Alter erklärte. Sicher würde Arndt darauf bestehen, dass sie mitkam.
»Aber was machen wir mit Emma? Ich kann sie in diesem Zustand nicht gut in Pflege geben, denke ich«, sagte Heidelore mit einem Seufzer der Erleichterung in ihrem Innern.
»Dann bleibt uns wohl wirklich nichts anders übrig, als sie endgültig einzuschläfern«, erwiderte Arndt.
Einige Tage später brachte er zwei Flugtickets nach Montevideo mit, die für den dreißigsten Juli ausgestellt waren. Am 25. holte er den Spaten aus der Gerätehütte und schaufelte Emmas Grab hinten bei der Ligusterhecke. Heidelore verdrückte ihre Tränen in Emmas Fell. Sie hatte das teuerste Hundefutter mitgebracht, das Emma nun vertilgte, verwundert über die ungewohnte Gesellschaft bei ihrem Fressen, das sie üblicherweise allein in der Küche einnahm. Heidelore kraulte ihren Hals und Emma blickte sie verständnisvoll an. Sie hatte erkannt, dass ein Menschenleben eine schwierige, zuweilen schmerzvolle Prüfung darstellte, der man sich nicht entziehen konnte, es sei denn, man war ein Haudrauf, ein Hallodri, ein Penner, Gauner, Alkoholiker oder sonst eine Unperson.
Am 27. kam der Tierarzt, der Emma untersuchte und pietätvoll vorschlug, dass die Eheleute Engstler Abschied von der Hündin nahmen, während er die Spritze aufzog, sich dann aber zurückzögen. Emma kaute krachend auf ihrer Henkersmahlzeit, einigen trockenen Hundekuchen, herum und verabschiedete sich von Heidelore, indem sie die Ohren anlegte und sich streicheln ließ. Arndt, der das Zimmer bereits verlassen hatte, um dem Tierarzt das Startsignal zu geben, sah sie mit Augen nach, in denen die Erkenntnis zu lesen war, dass das Verhalten bestimmter Arten sich jedem Verständnis entzog, und dass man sie daher bestenfalls beobachtete, um ansonsten an ihnen vorbeizuleben.
Arndt packte die tote Emma in einen blauen Müllsack und bestattete das Tier bei der Ligusterhecke.
Heidelore brauchte zwei Tage, um alles Nötige für die Reise nach Südamerika zu packen. Sie vermisste Emma, aber Arndt hatte sie darauf hingewiesen, dass sie sehr viel zeitsparender mit dem Haushalt fertig
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