Last Date
die Mundwinkel:
„ Frau Kugel? Entschuldigen Sie die Störung, aber ich habe Sie gerade unten im Haus verschwinden sehen und fand Sie heute Morgen in der Praxis so nett, dass ich Ihnen was Gutes tun wollte. Ich habe ein paar Freifahrten von der Verkehrsgesellschaft und wollte Ihnen die geben, wenn Sie ...“ Er zögerte kurz und ergänzte dann: „ Ach, könnten Sie eventuell kurz aufmachen, dann muss ich nicht so laut hier im Hausflur sprechen?”
Er hielt zwei Karten vor den Spion, aber sie waren zu nah, um etwas erkennen zu können und so öffnete Anja die Wohnungstür einen Spalt. Der Mann ging höflicherweise einen Schritt zurück und hielt ihr die zwei Bustickets hin.
„ Hier Frau Kugel. Ich brauche nur kurz Ihre Personalausweisnummer, dann können Sie zwei Wochen kostenlos zur Arbeit und wieder nach Hause fahren.”
„ Wieso ich?”, fragte sie verblüfft.
„ Wie schon gesagt, ich finde Sie einfach sympathisch, weiter nichts.” Er hob beschwichtigend die freie Hand vor sich und ging einen weiteren Schritt zurück. „Aber ich kann auch zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal vorbeikommen.”
Während Anja kurz überlegte , wanderte ihr Blick wieder unbewusst zwischen seinem linken Auge und dem anderen, scheinbar blinden Auge, hin und her. Als es ihr selber auffiel, sah sie etwas verlegen an ihm herunter und bemerkte die alte Umhängetasche, die er heute Morgen noch nicht dabei hatte. Sie passte überhaupt nicht zu seinem modernen Anzug und wäre ihr mit Sicherheit aufgefallen. Eigentlich brauchte sie diese Karten nicht, wollte aber auch nicht unhöflich sein. „Nein! Warten Sie.”
Sie zögerte noch ein wenig, fing dann aber an zu lächeln.
„Ich war nur etwas überrascht. Natürlich nehme ich die Karten, vielen Dank. Und Sie brauchen nur meine Personalausweisnummer, richtig?”
Ohne eine Antwort abzuwarten , sah sie zu der Konsole hinüber, auf der sie für gewöhnlich ihre Handtasche ablegte, konnte sie dort aber nicht sehen. Mit gerunzelter Stirn drehte sie sich noch einmal kurz zu dem Mann im Hausflur um, der noch immer recht weit von der Tür entfernt wartete.
„ Ähm, warten Sie einen kleinen Moment hier! Ich bin sofort zurück. Ich muss nur kurz meinen Ausweis holen.”
Anja ließ die Tür angelehnt und ging nachdenklich durch ihre Wohnung. Es dauerte einen kleinen Augenblick, bis sie erleichtert ihre Handtasche in dem Sessel neben dem Fernseher liegen sah. Sie holte sie und ging mit ihr zur Tür zurück, während sie im Gehen bereits ihre Geldbörse herausfischte , in der der Ausweis steckte. Damit sie nicht vergessen würde alles wieder hineinzutun, stellte sie die Tasche einfach mitten im Wohnzimmer auf dem Boden ab. Als sie die Tür wieder aufzog, blieb sie für einen Moment verwundert stehen. Der Hausflur war leer. Hatte sie ihn missverstanden? Sie ging vorsichtig bis zum Geländer und sah hinunter, konnte zwar niemanden nach unten gehen sehen, hörte aber Schritte in der Nähe. Sie beugte sich zur Seite, um zwischen den Geländerstäben hindurch die Stufen der Etage direkt unter ihr einzusehen, und sah die Beine einer Person, die zwei Stufen auf einmal nehmend heraufkam. Diese seltsame Situation machte ihr Angst, und sie spürte plötzlich eine extreme Hitze in sich aufsteigen. Hektisch drehte sie sich um und sprang die zwei Meter in ihre Wohnung zurück, drückte die Tür ins Schloss und sah durch den Spion hinaus in den Hausflur. Nichts tat sich. Auf VIVA lief gerade das aktuelle Lied von Queensberry, welches zu ihren derzeitigen Lieblingsstücken gehörte, aber das Einzige, was sie hörte, war das laute, viel zu schnelle Schlagen ihres eigenen Herzens. Ohne ihr Auge vom Spion zu nehmen, tastete sie die Glasplatte der Konsole nach ihrem Schlüssel ab. Mit zitternden Händen schloss sie die Wohnungstür von innen zweimal ab und ließ den Schlüssel schräg im Schloss stecken. Deutlich, fast schmerzhaft, spürte Anja das Pochen ihrer Halsschlagader und trocknender Angstschweiß kühlte ihre eben noch so heiße Stirn. Langsam und so leise sie konnte, entfernte sie sich rückwärts von der Wohnungstür, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen. In dem Moment, als sie sich gerade umdrehen wollte, spürte sie, wie ihr rechter Fuß festgehalten wurde. Sie fiel nach hinten zu Boden und schrie erschrocken auf. Gleichzeitig mit beiden Füßen wild nach dem tretend, was sich kurz zuvor um ihren Knöchel gelegt hatte und rückwärts auf allen Vieren kriechend, sah sie endlich etwas weißes
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