Last Date
„Ja ...” Er nahm die Mappe unter den Arm und steckte den Kugelschreiber wieder in sein Jackett. „... Sie könnten mir verraten, was Sie für einen Wagen fahren, damit ich den Parkplatz Ihrer Praxis besser zuordnen kann.”
Sie sah ihn lächelnd an. „Ich fahre mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Warum sollte ich mit dem Auto kommen, wenn doch hier unten pünktlich um 18:09 Uhr ein Bus abfährt, der fast vor meiner Haustür hält? Aber mein Chef fährt einen weißen 6er BMW. Von dort müssten Sie ihn eigentlich unten stehen sehen.”
Sie zeigte zu einem kleinen Fenster neben dem Ausgang , und er nickte ihr lächelnd zu. Damit hatte er nicht gerechnet. Er ging fieberhaft grübelnd die wenigen Meter hinüber, um sich von hier oben interessiert den Parkplatz anzusehen. Durch die vielen Sonderrechte beim Abbiegen oder bei eigenen Ampelstellungen für die öffentlichen Verkehrsmittel war es fast unmöglich, einen Bus im abendlichen Berufsverkehr zu verfolgen, so viel war ihm klar. Wie könnte er jetzt auf die Schnelle ihre Adresse herausbekommen. Als er sich noch einmal zu ihr umdrehte, sah er sie gerade mit einer Patientin aus dem Wartezimmer kommen.
Da er noch immer neben der Tür stand und es den Anschein hatte, dass er gehen wollte, winkte ihm Anja Kugel wiederholt zu. „Auf Wiedersehen.”
Er hob schnell die Hand und Anja stoppte. Während er wieder auf sie zuging , schickte sie die Patientin in den gegenüberliegenden Behandlungsraum.
„ Eine Frage noch.” Er kam sich vor wie Columbo. Allerdings würde er niemals einen solch alten Trenchcoat tragen. „Nur für die Statistik, wie viele Stationen fahren Sie mit dem Bus?”
„ Drei. Aber ich muss jetzt rüber zu meinem Chef. Tschüss.” Sie eilte der Patientin nach und ließ ihn mitten im Eingangsbereich stehen.
Als sie außer Hörweite war, verengten sich seine Augen ein wenig und seine Stimme war zwar kaum wahrnehmbar, aber genauso düster wie seine Gedanken. „Ja, tschüss du kleine Schlampe, bis heute Abend.”
Den Plan der Busverbindung prüfend , stand er fünf Minuten später an der Haltestelle, direkt vor der Praxis, und zeichnete mit dem Finger die Strecke der Linie 13, der einzigen Buslinie, die um 18:09 hier hielt, auf der Karte nach. Um sich schon einmal ein wenig mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut zu machen, fuhr er anschließend, fröhlich pfeifend, mit seinem Wagen zu einem Parkplatz in der Nähe der Haltestelle, an der Anja heute Abend laut Plan um 18:19 Uhr aussteigen würde.
Kassel
Dienstag, 15:51 Uhr
Adrian stellte über den kleinen Kippschalter an der rechten Griffarmatur den Motor ab und schob die Ducati , noch auf ihr sitzend, die wenigen Meter über den Fußgängerbereich nach vorn, bis er sie zwischen zwei anderen Motorrädern auf dem Seitenständer einigermaßen unscheinbar abstellen konnte. Er hängte seinen Helm über den Spiegel und ging ein paar Schritte zu dem gutbesuchten Café, bei welchem Katharina für 16:00 Uhr sein Treffen mit den beiden Frauen bestätigt hatte. Mit dem Blick in Richtung seines Motorrads, bestellte er sich einen Eiskaffee, legte als vereinbartes Erkennungszeichen sein Halstuch vor sich auf den kleinen Tisch und kramte ein Blatt Papier aus seiner Hosentasche, auf dem er sich eine Liste aller angemailten Frauen mit ihren bei triffmich.net eingestellten Fotos ausgedruckt hatte. Ungeduldig abwartend beobachtete er jedes auf das Café zukommende Frauenpärchen. Ihm war zuvor noch nie aufgefallen, wie viele Frauen in kleinen Gruppen, zu zweit oder zu dritt, in der Innenstadt unterwegs waren, im Gegensatz zu den meist allein umherlaufenden Männern. Von drei jungen Frauen an einem nicht weit entfernten Tisch stand eine auf und kam mit einer Zigarette in der Hand zu ihm herüber, ging neben ihm in die Hocke und lächelte ihn an. „Sorry, hast du eventuell Feuer?”
Adrian sah sie etwas verdutzt an. „Nein, tut mir leid. Ich bin Nichtraucher.”
„ Na ja, einen Versuch war es wert.” Sie ging wieder zurück zu ihren Freundinnen, die sofort anfingen zu tuscheln. Adrian fiel auf, dass eine von ihnen bereits an ihrer Zigarette zog, was ihm ein wenig seines durch die abgeschnittenen Haare verloren gegangenen Selbstwertgefühls wiedergab. Er lächelte leicht kopfschüttelnd kurz zu ihnen hinüber und bekam es mit freundlichem Zuwinken aller drei quittiert.
De n Mann am Nachbartisch der drei Frauen nahm er nicht wahr.
Er saß schon seit etwa vierzig Minuten in dem Café und wartete. Er
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