Last days on Earth
Widerstand.
Sie sackte zusammen. Raoul schob sie gegen die aufgetürmten Kissen und lieà sie
los, dann betastete er vorsichtig die Schwellung unter seinem Auge und fuhr
prüfend mit der Zunge über seine Zähne.
»Raoul«, wiederholte Karla und hob eine zitternde Hand, um das
zerraufte Haar aus den Augen zu streichen. »Verdammt! Es tut mir leid. Ich
wollte nicht dich schlagen.« Er sah den Zorn in ihren Augen blitzen wie Gewehrfeuer.
»Dieser ScheiÃkerl hat sich aus dem Staub gemacht, damit du die Prügel
abbekommst.«
Raoul seufzte. »Was auch immer er getan hat, ich entschuldige mich
dafür.«
»Du kannst nichts dafür. Du warst vollkommen weggetreten, und er hat
die Gelegenheit genutzt â¦Â« Sie biss sich auf die Lippe. Er konnte ihre Wut
beinahe mit Händen greifen.
In seinem Mund war ein bitterer, saurer Geschmack. Er schloss die
Augen, tauchte tief in sein Inneres und bekam seinen Daimon zu packen, der
unvorsichtigerweise zu dicht unter der Oberfläche gelauert hatte, so begierig
war er darauf, all diese heftigen Emotionen aufzusaugen: Karlas Zorn und seinen
Schmerz, seine Ãberraschung und ihre aufgewühlten Gefühle.
Brad , fauchte er und hielt den sich
windenden Daimon unbarmherzig fest. Du bleibst hier! Du bist
mir längst Rechenschaft schuldig! Wie konntest du â¦
Der Daimon gab seinen Widerstand auf und ergab sich. Raouls
Aufmerksamkeit lieà einen winzigen Moment lang nach, weil er Karlas Gegenwart
so deutlich spürte wie eine Berührung und ihn das vollkommen verwirrte.
Brad sandte eine Welle von Triumph und mit ihr Information. Geballt,
kompakt, komprimiert und im gleichen Moment, wie sie Raouls Gedächtnis
berührte, sich aufblähend wie ein Fesselballon.
Raoul stöhnte und krallte die Hände in die Haut seines Gesichtes.
Alles, was Brad in den Monaten, die er ihn eingesperrt hatte, erfahren und
gesammelt hatte, wurde nun mit Gewalt in Raouls Gehirn gepresst. Ihm drohte der
Kopf zu platzen. Er fühlte, wie seine Augen aus dem Schädel quollen, sein
Gehirn sich vergebens mühte, all die angesammelten Daten auf einmal zu verarbeiten.
Der Druck wurde ungeheuer stark. Raoul lieà sich aus dem Bett fallen und
taumelte zur Tür. Er hörte in der Ferne, gedämpft wie durch dicke Lagen von
Filz, wie Karla seinen Namen rief, aber er konnte nicht antworten. Er stürzte
gegen den Türrahmen, tastete blind nach der Klinke und torkelte ins Bad. Seine
Beine gaben unter ihm nach, und er fand sich auf allen vieren auf dem kühlen
Fliesenboden wieder. Würgend. Schmerz und Druck in seinem Kopf, aufwallende
Ãbelkeit. Blitze vor den Augen, Stiche in den Schläfen, ein Nacken, der steif
und hart war und von dem aus Schmerzwellen durch seinen Körper jagten.
Raoul schleppte sich zur Toilette, hängte sich über die Schüssel und
übergab sich qualvoll.
Ganz weit entfernt hörte er Schritte, Wasserrauschen. Ein feuchtes,
kaltes Tuch schlang sich um seinen Kopf. Jemand half ihm, sich auszustrecken.
Etwas Nasses rieb über sein Gesicht. Kühle, den tobenden Schmerz besänftigende
Hände strichen über seine Schläfen. Der Druck begann nachzulassen, der Schmerz
war immer noch heftig, aber nicht mehr von solch tödlicher Intensität wie vor
einigen Minuten.
Wieder der kalte, nasse Lappen, der sich erleichternd auf seine
Stirn und seine Schläfen legte. Karlas Hände, die den Schmerz aus ihm
heraussaugten. Er schlug die Augen auf und erkannte, dass er auf dem Badezimmerboden
lag und dass Karla ihn von hinten stützte. Sein Kopf ruhte an ihrer Schulter,
ihre Wange drückte sich an seine, sie hatte die Augen geschlossen und berührte
seine Schläfe und seine Schulter mit den Fingerspitzen. »Besser?«, fragte sie,
ohne die Augen zu öffnen.
»Ja.« Er räusperte sich, weil seine Stimme versagte. »Ja«,
wiederholte er.
Karla öffnete die Augen und half ihm, sich aufzusetzen. »Was hat er
mit dir gemacht?«
Raoul atmete tief und kämpfte eine Welle von Ãbelkeit herunter. »Was
hat er mit dir gemacht?«
Ihr Gesicht verschloss sich. »Geht dich nichts an, auÃer du hast
vor, ihn endlich rauszuschmeiÃen«, erwiderte sie. »Bist du sicher, dass du
keine Hilfe brauchst? Soll ich diesen Dr. Frankenstein â¦Â« Sie unterbrach
sich und lächelte schwach. »Frankenheim. Er ist Psychiater.«
Raoul erwiderte das Lächeln
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