Last days on Earth
möchte keine unliebsame
Ãberraschung erleben. Wenn jemand eine Waffe trägt, werde ich es erkennen.«
Karla folgte ihm in die Kabine. Die Tür glitt zu. »Eine Waffe? Auf
einer Gesellschaft, die dein Freund gibt?«
Raoul reckte das Kinn. »Das habe ich alles schon erlebt. Beim
letzten Mal hat Brad mich gerade noch retten können. Ein Typ, der mir einen
längeren Gefängnisaufenthalt zu verdanken hat, hatte seine Freundin unter das
Personal geschmuggelt, und die ist mit einem Basilisken auf mich losgegangen.«
»Uh«, machte Karla angewidert.
Die Tür glitt auf, und Horace empfing sie. Er wünschte ihnen einen
guten Abend und nahm Raoul das Cape, den Zylinder, den Seidenschal und die
Handschuhe ab. Karla glaubte, einen zufriedenen Schimmer in den Augen des
Butlers zu erkennen.
Ein livrierter Diener geleitete sie stumm zum Ballsaal. Die Flügeltüren
standen weit offen, und von drinnen war Musik und Gelächter zu hören. Karla
blieb an der Tür stehen und orientierte sich. Kein zweiter Ausgang. Die groÃen
Fenster waren mit Vorhängen geschlossen, eins oder mehrere von ihnen schienen
aber offen zu stehen, denn ein leichter Luftzug brachte den Geruch von Regen
mit.
Es waren vielleicht achtzig Gäste anwesend, die zwischen Tischen und
einem mit Kerzen illuminierten Buffet standen und plauderten. Karla war
geblendet von all dem Glanz, der von ihnen und der Einrichtung ausging. Sie war
Quass dankbar, dass er ihr das Collier geliehen hatte. Beim Anblick der
Geschmeide, die die anwesenden Damen um Hals, Finger und Handgelenk trugen,
hätte einen Juwelendieb wahrscheinlich der Schlag getroffen. Sie drehte sich zu
Raoul, doch sein Blick lieà sie verstummen. »Was ist?«, fragte sie leise.
Ein kaum wahrnehmbares Knurren drang aus seiner Kehle. »Kannst du es
nicht sehen?«
»Würde ich dann fragen?«, erwiderte sie gereizt.
Er drehte sich, sodass er sie vor dem Saal abschirmte, und reichte
ihr sein Monokel. »Schau es dir an.«
Karla hob das Glas ans Auge und warf einen Blick an seiner Schulter
vorbei auf die Gäste. Sie schnappte nach Luft.
»Drachen«, flüsterte sie. »Sie sind allesamt Drachen!«
Sie gab ihm hastig das Monokel zurück und sah wieder hin. Natürlich.
Wieso hatte sie das beim Eintreten nicht bemerkt? Wahrscheinlich hatte das
Gefunkel der alles überstrahlenden Edelsteine sie zu sehr abgelenkt.
»Da kommt Quass«, sagte Raoul erleichtert.
Ein groÃer, kräftig gebauter Mann mit grauer Lockenmähne und
aristokratischem Löwengesicht steuerte auf sie zu. Karla warf einen hastigen
Blick zu Raoul. Das war Quass von Deyen?
»Frau van Zomeren«, sagte der Mann mit der Samtstimme des Drachen.
Er verbeugte sich und gab ihr einen formvollendeten Handkuss. »Ich freue mich,
dass Sie meiner kleinen Gesellschaft das Glanzlicht aufsetzen! Darf ich Ihnen
ein Kompliment für Ihre Garderobe aussprechen? Und Sie besitzen wirklich
Geschmack, was Ihre Schmuckauswahl angeht.«
»Herr von Deyen«, erwiderte Karla gefasst, »Danke für die Einladung â und die freundliche Leihgabe.«
Der Drache neigte kurz den Kopf, dann wandte er sich Raoul zu und
gab ihm die Hand. »Formvollendet, mein Freund«, sagte er. »Ich wusste, ich kann
mich auf dich verlassen.« Er beugte sich ein wenig vor und murmelte: »Norxis
ist noch nicht eingetroffen, aber er kommt noch. Er wird es nicht wagen, mich
vor den Kopf zu stoÃen. Schon gar nicht, wenn der gesamte Dragons Club
versammelt ist.« Er lächelte. »Er will mir den Vorsitz abspenstig machen. Dafür
muss er solche Gelegenheiten wie heute nutzen.«
»Alter Intrigant«, erwiderte Raoul herzlich.
»Ich â oder er?« Der Drache legte seine Hand auf Raouls Arm und
drehte sich zum Saal. »Kommt, ich stelle euch vor.«
Â
12. 19. 19. 12. 14.
Die nächste halbe Stunde schüttelten sie Hände, merkten
sich Namen und ergingen sich in höflicher Konversation. Sie waren die einzigen
Menschen im Saal, und Karla fragte sich, wie Quass seinen Gästen ihre
Anwesenheit verkauft hatte. Dann hörte sie, wie Quass einem Drachen erklärte,
dass Raoul Winter von Adlersflügel eine karitative Einrichtung ins Leben
gerufen habe, die der Vorstand des Dragons Clubs auf der Liste der zu
fördernden Einrichtungen zu setzen gedenke. Ein Waisenhaus für nichtmenschliche
Kinder.
Karla verkniff sich ein
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