Last days on Earth
Grinsen und nickte einer Drachenfrau zu, die
sie neugierig anblickte. Drachenfrauen. Sie hatte nie darüber nachgedacht, dass
auch weibliche Exemplare dieser Spezies existieren mussten. Ob es auch
Drachenkinder gab? Es hieà allgemein, dass diejenigen Drachen, die auf der Welt
lebten, die ursprüngliche Population repräsentierten. Drachen, sagte man,
lebten ewig und waren so gut wie unverwundbar. Das sprach zumindest dagegen,
dass sie sich fortpflanzen konnten. Andererseits waren sie multidimensionale
Wesen, genau wie die Daimonen. Diese Welt war nur eins unter Myriaden von
möglichen Biotopen für diese Spezies.
Diener eilten umher und boten den Gästen Tabletts mit Getränken an.
Leise Musik untermalte die Gespräche und das Gelächter. Es mochte ja stimmen,
dass Drachen im Prinzip ungesellige Wesen waren, aber heute schienen sie sich
alle gut zu amüsieren. Karla merkte, dass sie sich entspannte. Sie nippte an
dem Glas mit rosafarbenem Champagner und lauschte der Unterhaltung zweier
Drachen, die sich in freundschaftlichem Ton über den Ausgang einer Wette
stritten.
Sie schlenderte weiter. Als unwichtige Begleiterin des noblen Herrn
Winter von Adlersflügel, der gerade von Vorstandsmitglied zu Vorstandsmitglied
gereicht wurde, hatte sie keinerlei Funktion und konnte sich relativ unbemerkt
bewegen. Sie hörte hier zu, wie zwei Drachenfrauen mit harten Bandagen ein
Aktiengeschäft verhandelten, dort lauschte sie dem Klatsch zweier Männer über
den erstaunlichen Lebenswandel eines dritten, dann stand sie am Buffet und sah
zu, wie die Bediensteten letzte Hand an die reichhaltig gefüllten kalten
Platten legten. Menschenessen. Sie hatte alles erwartet, aber dazu gehörten
ganz sicher weder Austern noch Hummer, nicht das rosa gebratene Roastbeef und
auch nicht die Spargelspitzen, keinesfalls die Salate, das Angebot an Käse und
Brot, die Obstkörbe oder die geeiste Suppe.
Sie wandte sich um und stand dem Gastgeber gegenüber. »Hallo«, sagte
sie und lächelte ihn an. »Sie sind sogar beim Buffet bis ins letzte Detail
konsequent.«
Er lachte und legte die Hand an ihren Ellbogen. Seine Finger hatten
beinahe die richtige Temperatur. Karla wagte einen schnellen Blick in seine
Augen â dort allerdings endete die Maskerade.
»Es ist ein Kostümfest«, erklärte der Drache und geleitete sie zu
einem der Tische. »Wir mögen solche Bälle. Es ist so pittoresk und überaus
exotisch, sich einen Abend lang wie ein Mensch unter Menschen zu fühlen.«
Karla sah sich um und fragte leise: »Rechnen Sie noch mit
Felsenstein?«
Quass wandte ihr sein Löwengesicht zu. Seine Hand, die immer noch
leicht ihren Ellbogen berührte, schloss sich fest um ihren Arm. Karla hörte
seine Stimme in ihrem Kopf: Keine Angst, Karla. Ich habe
dafür gesorgt, dass das Gerücht die Runde macht, ich sei amtsmüde. Heute sind
alle Mitglieder des Vorstands und so gut wie die gesamte Dragonity Europas hier
bei mir versammelt. Er wird kommen.
Karla sah ihn verblüfft an. Er lächelte.
»Das haben Sie für uns getan?«
Sein Lächeln wurde stählern. Raoul und mich
bindet ein Xanass . Er wünscht dieses Treffen, also
sorge ich dafür.
»Ah, Quass, was für ein exquisites kleines Fest«, unterbrach sie
eine dunkelhäutige Drachenfrau, die Schmuck im Gegenwert eines Staatshaushaltes
am Leibe trug. Sie musterte Karla vom Kopf bis zu den FüÃen und wieder zurück,
entblöÃte lächelnd ein paar kräftige Zähne und sagte: »Meine Liebe. Wie
entzückend!« Ihre Finger, die etwas zu lang waren und ein paar Knochen mehr als
üblich zu enthalten schienen, berührten Karlas Collier.
»Danke«, sagte Karla. »Ich kann das Kompliment nur erwidern.«
»Ach, dieser billige Tand«, erwiderte die Drachin und legte eine
Hand auf die Kette aus taubeneigroÃen Saphiren, die auf ihrem Dekolleté
baumelte. Ihre glitzernd gelben Augen musterten Karla weiterhin ungeniert mit
dem Ausdruck von jemandem, der ein exotisches Tier im Zoo betrachtet. »Sie sind
aber kein Mensch, oder?«
»Cosmea«, rügte Quass, »so etwas fragt man nicht.«
»Ist schon gut, Herr von Deyen, es stört mich nicht.« Karla blickte
der Drachenfrau auf die Nasenwurzel und erklärte: »Ich bin eine sogenannte
Halb-und-Halbe. Wissen Sie, was das ist?«
»Nein, aber es klingt interessant. Erzählen Sie mir
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