Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
Räucherwerk.
    Karla setzte sich auf den niedrigen Hocker und inhalierte die
aufsteigenden Dämpfe. Sie schloss die Augen und suchte nach dem Feld, das durch
den Generator hinter der Hallenwand erzeugt wurde.
    Durch die konservative Gruppierung innerhalb des Weißen Zweiges war
damals einen Aufschrei der Empörung gegangen, als der Generator installiert
worden war. Künstlich erzeugte morphische Felder, das konnte nicht im Sinne des
Ewigen Gleichgewichts sein! Aber der Generator funktionierte im Grunde auch
nicht anders als ein natürliches morphisches Feld – nur dass er die MID unabhängig machte von den schwer zu kontrollierenden
Stimmungen der natürlichen Felderzeuger.
    Karla seufzte und richtete ihre Gedanken auf das künstliche Feld.
Lass deine Woche Revue passieren und denk an all die Situationen, in denen das
Gleichgewicht gestört war. Stell sie dir vor und ändere sie. Gleiche aus. Beruhige.
Glätte.
    Es kostete sie mehr als eine Stunde, bis alles wieder im Lot
war. Sie nahm das Tuch, auf dem die Utensilien lagen, und knotete alles zu
einem unordentlichen Bündel zusammen. Es ordentlicher abzugeben, war nicht
nötig, Marlene musste die Gegenstände erst rituell reinigen, bevor sie wieder
ausgegeben werden konnten.
    Karla drückte den Knopf, der den Generator ausschaltete, löschte das
Licht und verließ die Halle.

 

    12. 19. 19. 03. 19.
    Er ärgerte sich über sich selbst. Warum hatte er so wenig
souverän auf Karlas Fragen und ihren ironischen Tonfall reagiert? Normalerweise
genoss er diese Art von verbalem Schlagabtausch, er war die Würze im öden
Eintopf der Ermittlerarbeit, die ihm bevorstand.
    Er schlug die Haustür hinter sich zu und stapfte die Treppe zu
seiner Wohnung hinauf. Wie hatte er sich nur eine solche Blöße geben können? Er
war angeschlagen, weil Brad fort war. Die Leere in seinem Inneren, das Verstummen
der ständig verfügbaren Datenströme, sogar der Umstand, dass er für den Moment
eine Atempause in dem ständigen Kampf um die Vorherrschaft in seinem Körper
einlegen konnte – all das machte ihn gereizt und unduldsam.
    Er schloss seine Wohnungstür auf und stand vor Säcken und
Putzutensilien, die sich in seiner Diele stapelten.
    Magdalena kam aus dem Schlafzimmer, geschäftig einen Staubwedel
schwingend. Sie blieb wie erstarrt stehen, öffnete den Mund zu einem erstaunten
»O« und ließ den Wedel sinken. »Herr Graf«, sagte sie und deutete eine Art
Hofknicks an.
    Raoul wandte den Blick zum Himmel. »Liebe Frau Magdalena«, sagte er,
»ich habe Ihnen schon diverse Male erklärt, dass ich Winter heiße. Einfach nur
Winter. In meiner Familie hat es meines Wissens nie auch nur einen einzigen
Grafen gegeben.«
    Magdalena ließ sich davon nicht beirren. Wahrscheinlich fand sie es
erhebend, für einen echten Grafen zu arbeiten, auch wenn dieser seine Wohnung
phasenweise in eine Müllkippe verwandelte.
    Â»Es ist so weit alles fertig«, sagte sie unbeirrt. »Mein Mann holt
gerade den Wagen, damit wir die – hm – Abfälle einladen können.« Sie sah zu
Raoul auf und hob den Finger. »Sie hätten mich früher rufen sollen, Herr Graf.
Es gehört sich doch nicht für einen Herrn wie Sie, wenn alles so schmutzig ist.«
    Raoul lächelte auf sie hinunter. Magdalena besorgte seit beinahe
zwölf Jahren seinen Haushalt, aber sie konnte sich immer noch nicht mit den
Zeiten abfinden, in denen er ihr für ein oder zwei Wochen Urlaub gab. Die
Erklärung, die sie sich für den auf diese Urlaubszeiten folgenden Zustand der
Wohnung zusammengereimt hatte, war zwar wenig schmeichelhaft für ihn, enthob
ihn aber weiterer Unannehmlichkeiten.
    Â»Danke, Magdalena«, sagte er deshalb nur und wandte sich zur Tür des
Arbeitszimmers.
    Â»Ich habe Ihnen einen Imbiss in den Kühlschrank gestellt«, rief sie
hinter ihm her.
    Er winkte, lächelte, schloss die Tür hinter sich und atmete aus.
Magdalena war eine Perle, aber sie strengte ihn an. So gut wie alle Menschen
strengten ihn an.
    Er griff spontan zum Telefon und wählte. Als der Angerufene sich
meldete, sagte er: »Quass, ich habe Sehnsucht nach einem intelligenten und
gebildeten Gesprächspartner. Bist du heute Abend zu Hause?«
    Der andere lachte. »Wenn du eine Partie Backgammon mit mir spielst,
gerne. Möchtest du auch etwas essen? Soll ich Horace bitten, dir

Weitere Kostenlose Bücher