Last days on Earth
der Stadt, dem dieser Laden nicht
bekannt war. Karla nickte resigniert.
»Wir sehen uns da. Morgen Abend. Dann habe ich Ihre Informationen.«
Er schob sich seitwärts aus dem Stuhl. Im Stehen war er nicht viel gröÃer als
im Sitzen, denn die Beine, die unter seinem speckigen Mantel hervorschauten,
waren kurz und krumm. Karla sah, dass er sich wie auf ein drittes Bein auf
einen räudig aussehenden Schwanz stützte, der hinten aus dem Gehschlitz des Mantels
ragte.
SonofabiËc folgte ihrem Blick und bleckte die Zähne. »Sie wissen
nicht viel, hm?« Er beugte sich vor und schnüffelte. »Keine Hexe, aber immerhin
Hexenaroma.« Er verzog das Gesicht, schüttelte den Kopf. Dann streckte er die
Hand aus, und Karla begriff erst nach einer Weile, was er wollte. Sie überwand
ihren Widerwillen und gab ihm ihre Hand.
Sein Griff war fest, trocken und rau. Er nickte. »Gutes Mädchen.
Ãber meinen Preis reden wir morgen Abend, he?«
»Warum nicht jetzt?«
»Weil ich jetzt noch nicht weiÃ, wie viel von meiner Haut ich für
Sie riskieren muss.« Er grinste. »Danke für die Fluppen.«
Karla widerstand dem Impuls, ihre Hand abzuwischen, und sah ihm
nach. Sie hörte, wie die Serviererin rief: »Deine Rechnung, Sonny!«
Wenig später stand sie an Karlas Tisch. »Sonny sagt, Sie bezahlen
für ihn?« Karla lachte und beglich die Rechnung.
Sie verspürte wenig Lust, in dem vollen Café zu warten, und ging
hinaus. Auf der kniehohen Mauer, die Promenade und Flussufer trennte, saÃen
Menschen und genossen die schon erstaunlich warmen Sonnenstrahlen. Das Licht
glitzerte hell auf dem Wasser, über dem Möwen ihre Kreise zogen.
Karla suchte sich einen ungestörten Platz auf dem Mäuerchen. Sie
blickte über das Wasser. Der Brief, den ihre Schwester ihr geschickt hatte,
machte ihr Kopfzerbrechen. Helene war keine ängstliche Frau. Wenn sie anfing,
»Gespenster zu sehen«, wie sie es selbstironisch nannte, dann war etwas faul.
Helene hatte sie immer belächelt, wenn Karla ihr Weltuntergangsalbum erwähnte.
Und jetzt schickte sie ihr sogar Ausschnitte aus einer Fachzeitschrift für
Nuklearmagie.
Karla schrak zusammen. Sie war so in Gedanken gewesen, dass sie
nicht bemerkt hatte, wie ein junger Mann herankam. Er stand vor ihr, die Augen
hinter einer dunklen Brille verborgen.
Karla erwiderte den unsichtbaren Blick fragend. Der junge Mann, ein
blasser, unscheinbarer Typ, nahm das als Einladung. Er blieb dicht neben ihr
stehen, räusperte sich und fragte leise: »In nomine misericordiae, familiaris â
haben Sie noch eine Gabe für einen darbenden Exsanguiniker übrig?«
Karla sah ihn verständnislos an. »Wie bitte?«
Er hob erschreckt die Hand. »Ich wollte nicht aufdringlich â¦
Verzeihen Sie.« Er rannte beinahe davon.
Karla sah ihm nach. »Was war das denn?«, fragte sie halblaut.
»Dhampir, würde ich sagen«, sagte Raoul, der plötzlich neben ihr
stand. Er sah dem jungen Mann mit zusammengekniffenen Augen hinterher. »Was
wollte er von Ihnen?«
»Er hat mich um eine Gabe für einen darbenden Exsanguiniker
gebeten.«
»Was?« Sie hatte Raoul noch nie so verblüfft gesehen wie in diesem
Moment. Er lieà sich neben sie sinken. »Er hat was ?«
Karla schnaubte. »Erst dieser Skratti, dann das. Ich beginne an mir
zu zweifeln. Rieche ich irgendwie artfremd?«
Raoul schnüffelte an ihrer Schulter. »Sie riechen zum AnbeiÃen
angenehm, Magistra van Zomeren.«
Karla gab ihm amüsiert einen Knuff gegen die Schulter. »Und Sie
entwickeln erstaunlich alberne Züge, dunkler Magus. Lassen Sie das, es schadet
Ihrem schlechten Ruf.«
Raoul hielt sein Gesicht in die Sonne. »Ich kann verstehen, dass Sie
lieber hier drauÃen sitzen. Wie war Ihr Termin?«
»Unergiebig.« Karla klappte ihr Notizbuch auf. »Was hat der
Mitarbeiter des schmierigen Meyring Ihnen erzählt?«
Es war wie bei dem anderen Einbruch. Es gab keinerlei Spuren,
und niemand hatte eine Erklärung. Die Bücher waren aus einem Safe entwendet
worden. Sie waren gerade von einem Restaurator zurückgekommen und sollten am
nächsten Tag wieder an ihren Platz in einem der Untergeschosse gebracht werden.
Und der Tresor war ohne einen Kratzer geöffnet worden.
»Jemand hat die Kombination gewusst. Wahrscheinlich steckt ein
Mitarbeiter der Bibliothek mit in der
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