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Last Exit

Last Exit

Titel: Last Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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weiter, doch dann wurde er schwächer, bis zuerst die Arme und schließlich die Beine alle Kraft verloren hatten. Sie waren Schatten, diese Gestalten, und hinter ihnen zeigte der helle Fernseher unscharfe Körper und nackte Brüste mit verwischten rosa Nippeln.
    Jetzt wickelten sie ihn ein, und kurz durchschauerte ihn die Panik vor einer Plastikhülle, aber es war nur das Bettzeug. Er war so müde. Konnte kaum die Augen offen halten. Ein verschwommener Mann mit einem blauen Auge und etwas Dunklem unter der Nase, vielleicht einem Schnurrbart, beugte sich über ihn und sprach ihn mit starkem Akzent an: »Keine Sorge. Wir bringen dich nicht um. Noch nicht.«
    Milo blinzelte mühsam, er konnte kaum noch etwas sehen. »Sind Sie Deutscher?«
    »Ja.«
    »Dachte ich mir.« Er wollte noch etwas hinzufügen, aber die Zunge gehorchte ihm nicht mehr.

TEIL 2
DIE KLEIDER VON LEUTEN, DIE WIR HASSEN
    FREITAG, 22.FEBRUAR BIS MITTWOCH , 12. MÄRZ 2008

1
    Hasad al-Akir nickte der dicken alten Dame höflich zu. Wie an allen bisherigen Abenden nahm sie überhaupt keine Notiz von ihm, als sie am Tresen vorbei nach hinten zu den großen Kühlschränken mit Glastüren tappte. Er hatte viele Kunden, mit denen er sich unterhielt, deren Namen und Beruf er kannte, Leute, die ihn sogar als Herr al-Akir anredeten und ihn fragten, wie es seiner Familie ging. Nicht so in diesem Fall. Obwohl sie an jedem Werktag pünktlich um sieben erschien, um immer die gleiche Flasche Rheinland Riesling und einen Snickers-Riegel zu kaufen, blieb die Konversation mit ihr beschränkt.
    Guten Abend, gnädige Frau.
    Ihre Antwort: ein unbestimmtes Knurren.
    Das macht zehn Euro sechzig.
    Keine Erwiderung, kein Lächeln, nichts, was darauf hindeutete, dass ein Mensch vor ihr stand. Nur das Geld, das auf den Tresen gelegt wurde, manchmal ein Zehneuroschein mit fünfzig und zehn Cent, manchmal ein vorher abgezählter Stapel Münzen, aber stets exakt. Dann steckte sie den Schokoriegel ein, packte die Flasche am Hals und ignorierte seinen Abschiedsgruß, wenn sie ihr gewaltiges Gewicht durch die Tür schob.
    Aber heute würde es anders laufen.
    Sein Süßwarenlieferant Eckhard Junker hatte den Preis für Snickers-Riegel um fünf Cent angehoben. Daher würde
sie zum ersten Mal in einem halben Jahr zu wenig Geld hinlegen mit diesen plumpen, an den Nägeln abgenagten Fingern, und Hasad durfte sich darauf freuen, sie davon in Kenntnis zu setzen, dass der Betrag nicht stimmte.
    Immerhin etwas.
    Er hatte seit Mitte der Achtziger in München gelebt, nachdem er mit einer Welle von türkischen Gastarbeitern eingetroffen war, um all die Tätigkeiten zu erledigen, für die sich die Westdeutschen zu fein waren. Bau, Bergbau, Müllabfuhr, Einzelhandel. Lange Zeit bedauerte Hasad, dass er Ankara verlassen hatte. Die Bayern waren ein kleinliches, verschlossenes Volk von bigotten Bleichgesichtern. Aber das Geld, das er seinen Eltern und seiner Frau nach Hause schickte, war nicht zu verachten, also stand er es durch und ließ schließlich 1992 seine Familie nachkommen. Inzwischen übernahmen Deutsche aus dem Osten die früheren Arbeiten der Türken – diese Ossis waren sich für nichts zu fein –, und viele seiner Freunde redeten ernsthaft über eine Heimkehr. Hasad nicht. Im Gegensatz zu seinen Freunden hatte er sein Geld nicht für Schnaps und Nachtclubs hinausgeworfen. Er hatte gespart und fing an, sich in der Süddeutschen Zeitung nach geeigneten Immobilien umzusehen. Er wollte ein eigenes Geschäft eröffnen.
    Als er sich für einen Laden in Pullach entschied, einem Industrievorort Münchens, stand das Gebäude schon seit einem Jahr leer. Der Eigentümer, ein gerissener Bayer, der sich zu schade für das Dienstleistungsgewerbe war, wollte so viel wie nur möglich aus Hasad herausquetschen, aber da geriet er an den Falschen, denn die Kunst des Feilschens hatte jeder Türke im Blut.
    Doch nicht alles war Anis und Zimt. Nach zwei Jahren, Ende 2001, erhielt er mehrmals Besuch von eisigen hochgewachsenen
Gestalten des Bundesnachrichtendienstes, der ein Stück weiter vorn an der Straße seinen Hauptsitz hatte. Immer wieder prüften sie seine Einwanderungspapiere, die Grundbucheintragungen für sein Geschäft und seine Buchführung. Sie erkundigten sich nach seinen Freunden und zückten manchmal Fotos von mürrisch dreinblickenden Arabern, um zu erfahren, ob er oder jemand aus seiner Bekanntschaft vielleicht im Bann radikaler muslimischer Geistlicher stand.
    Während im Lauf der Zeit sein

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