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Last Exit

Last Exit

Titel: Last Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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Gerüchten zufolge der Gründer der Abteilung Tourismus.«
    »Das beweist gar nichts.«
    »Natürlich nicht. Wenn es Beweise gäbe, dann hätten diese Leute ihren Auftrag nicht erfüllt. Aber schon komisch: Auf jede falsche Identität dieses Mannes war ein Preis ausgesetzt. Die Russen suchten ihn unter ihren beiden Namen wegen Mordes, die Briten unter dem englischen wegen Urkundenfälschung, und wir waren ihm wegen Industriespionage auf den Fersen. Für einen Einzelnen ein breites Spektrum an Talenten.«
    An diese Unterhaltung erinnerte sie sich fünfunddreißig Jahre später, als sie über die verschiedenartigen Verbrechen nachgrübelte, die offenkundig auf das Konto des Mannes unten im Keller gingen.
    Entweder war Weaver nicht mehr in Diensten der CIA oder doch. Wenn ja, dann roch er nach einem dieser sagenumwobenen Touristen.
    Und das war auch der Grund, warum Erika wenige Minuten später fast erstickt wäre.
    Sie saßen schweigend im Dunkeln und aßen trockene Hähnchenbrote. Schließlich fragte sie, was Oskar bei Weaver gefunden hatte, als sie ihn abholten. »Ein Telefon, aber sauber«, antwortete Oskar. »Keine Nummern im Speicher. Nichts Besonderes.«
    »Hatten Sie irgendwelche geheimen Spielsachen erwartet ?«
    Achselzuckend wischte er sich einen Krümel vom Kinn. »Er hatte eine Tasche. Das meiste davon Kleider. Pillen:
Dramamine, irgendwas gegen Verdauungsstörungen, Schmerzmittel und Ähnliches. Ein Schlüsselring.«
    »Schlüssel?«
    Er schüttelte den Kopf. »Mit einer Autofernbedienung dran, aber ohne Schlüssel. Ein iPod, allerdings nur mit Musik. David Bowie, nichts anderes. Der Mann ist anscheinend besessen.«
    »In den Taschen?«
    »Quittungen. Vor allem aus London. Zwei polnische. Und eine persönliche Mitteilung auf Hotelbriefpapier.«
    »Ein Liebesbrief?«
    Oskar zog die Nachricht heraus und reichte sie ihr. »Ich glaube, er hat gar nichts davon gewusst. Jedenfalls wirkte er überrascht, als ich es ihm gezeigt habe. Hat gelacht.«
    Sie drehte das Blatt, damit von draußen Laternenlicht darauf fiel. Sie las es, und dann las sie es noch einmal. Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. »Was hat er dazu gemeint?«
    »Er fand es irgendwie nett.«
    Sie las es erneut, ehe sie es zusammenfaltete und aus dem Gedächtnis zitierte: »Tourismus ist was für Liebhaber – wie Virginia. Nicht schmollen, sondern schmunzeln, Mann.« Sie schüttelte den Kopf, unfähig, ihr hemmungsloses Grinsen zu bezähmen. Dann schluckte sie. Aber sie war abgelenkt, und ein großer Brocken Huhn blieb ihr in der Speiseröhre hängen.
    »Was ist?« Oskar schielte sie beunruhigt an.
    Sie fuchtelte mit den Händen und deutete auf ihre Kehle, brachte aber kein Wort hervor. Oskar sprang auf. Sie spürte, wie der Sauerstoff aus ihrem Körper wich und ihre Arme kalt wurden. Mit einem Schritt war Oskar hinter ihr und schob sie ächzend hoch, dann legte er die Arme um ihre Fettschichten und rammte ihr mehrmals
die Faust in die Magengegend. Plötzlich schoss ein schleimiges Stück Huhn aus ihrem Mund und landete auf dem Teppich. Keuchend rang sie nach Luft, während Oskar wieder nach vorn kam.
    »Danke«, quetschte sie hervor.
    »Alles in Ordnung?«
    »Glauben Sie an das Schicksal, Oskar?«
    »Nein.«
    »Gut.« Sie freute sich über seinen Pragmatismus. »Dann schauen wir doch mal, was für eine Art Tourist unser Freund ist.«

14
    Als Erika Schwartz mit Oskar zurückkehrte, war Milo wütend auf sich selbst. Sie hatte ihm gegeben, was er erhofft hatte: eine zusätzliche Stunde, um darüber nachzudenken, wie er sich aus dieser Klemme befreien konnte. Aber ihm war rein gar nichts eingefallen, seine Gedanken kreisten immer nur um das Paradoxe seiner Situation: Zu einem Zeitpunkt, da die Abteilung Tourismus einen chinesischen Maulwurf in ihren Reihen befürchtete, war er wegen Adriana Stanescu gefangen genommen worden.
    Weil du immer nur den kleinen Stimmen folgst, du Dummkopf.
    Schwartz ließ sich ihm gegenüber nieder. Ihre Wangen und ihre Stirn waren rot, und er fragte sich, ob ihr das Treppensteigen tatsächlich solche Mühe machte. War sie schwer krank? Konnte er mit einigen gezielten Worten einen Herzinfarkt auslösen? Aber auch Oskar wirkte durcheinander. Vielleicht hatten sie gestritten – möglicherweise ein Vorteil für ihn.
    Sie begann. »Mein weiteres Vorgehen beruht auf Annahmen, und diese Annahmen wiederum beruhen auf meinem begrenzten Wissen. Finden Sie das vernünftig?«
    »Klar.«
    Schwartz breitete die plumpen

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