Last Exit
lange schweigen können, bis Ihre Leute Sie schließlich abholen oder meine Leute unter Druck setzen, damit wir Sie freilassen. Aber hören Sie mir jetzt gut zu, Mr. Weaver, denn das ist wichtig: Keiner weiß, wo Sie sind. Ihre Leute nicht. Meine Leute nicht. Niemand würde auf die Idee kommen, dass ich etwas über Ihren Aufenthaltsort weiß. Man wird mich nicht mal fragen. Das hier kann also ein paar
Stunden dauern, aber möglicherweise auch Tage oder sogar Monate.« Als sie innehielt, atmete sie laut, als hätte sie der lange Dialog viel Kraft gekostet. »Mir ist das völlig gleich. Nur Ihnen kann es nicht gleich sein.«
Als Heinrich mit zwei Gläsern zurückkam, wunderte sich Milo wieder über Budapest. Hatte sie dieses Detail wirklich erfunden? Heinrich nahm die Flasche, und Milo erkannte, dass es Riesling war, was er da einschenkte. Er reichte Schwartz ein Glas. Sie nippte und setzte eine erfreute Miene auf. »Wirklich gut. Aus der Pfalz. Probieren Sie.«
Milo nahm das andere Glas entgegen. Sie hatte recht. Der Wein rann kalt und frisch durch seine ausgetrocknete Kehle. Er trank langsam und ließ den Blick von Oskar über Heinrich bis zu Erika Schwartz wandern. Der dritte Mann war irgendwo hinter ihm.
Schließlich ergriff sie wieder das Wort. »Ich bin nicht unvernünftig, davon können Sie ausgehen. Ich glaube zwar, dass Sie Adriana Stanescu getötet haben, aber wie sie gestorben ist, interessiert mich weniger als das Warum.«
»Ich habe in meinem Leben viele fragwürdige Sachen getan«, erklärte Milo. »Aber ich habe nie ein Mädchen umgebracht.«
»Auf jeden Fall haben Sie sie entführt. Daran besteht kein Zweifel.«
»Sie sind verrückt.«
»Oskar, würden Sie Mr. Weaver bitte Mr. Weaver vorführen? «
Oskar trat zum Fernseher. Er holte das Band heraus und schob ein anderes, ungekennzeichnetes ein, das auf einem niedrigen Stapel lag.
Da war es. Mit Datum und Zeitcode. Milo, wie er auf sie wartete. Und in die Kamera schaute – oder nein. Sein
Blick galt dem blauen Opel, in dem seine Verfolger saßen. Der Opel war im Vordergrund, und Milo …
Sie war schlank und voller Leben. Als er das alles so von außen sah, stieg Ekel in ihm hoch. Da war er, dieser Kretin, der mit einem Entschuldigung vortrat und seinen falschen Ausweis zeigte. Und sie dann in ihr Verhängnis riss.
Als Oskar das Band stoppte, hatte es Milo den Atem verschlagen. Er brachte kaum ein Wort heraus. »Das bin ich nicht.«
»Nein?« Sie blieb ungerührt. »Oskar?«
Oskar zog ein zehn auf fünfzehn Zentimeter großes Foto aus der Tasche und hielt es Milo hin. Milo im Eingang zu diesem Hof, wie er angeregt mit Adriana Stanescu plauderte. Es war keine Frage, wen das aufbereitete Bild zeigte.
Oskar wartete, bis er es ausgiebig betrachtet hatte, dann steckte er es weg.
»Photoshop.« Milo bekam wieder Luft. »Spezialeffekte. Ich weiß nicht, warum, aber anscheinend wollen Sie mir was anhängen.«
»Sie waren auch sonst nicht untätig. In der Woche vor Adrianas Entführung haben Sie ein Kunstmuseum in Zürich ausgeraubt. Auf diese Weise sind wir übrigens auf Ihren Decknamen gestoßen.«
In Milos Kopf ratterten die Räder. Radovan Panić, der ihm den Pass geklaut hatte. Dieser gottverdammte Serbe mit seiner familienorientierten Moral.
»Wir wissen also, wer Sie sind. Und wir haben Kenntnis von mindestens zwei Verbrechen, die Sie begangen haben. Wir wissen, dass Sie für die CIA arbeiten – oder zumindest, dass Sie bis letzten Sommer für sie gearbeitet haben. Danach waren Sie eine Weile im Gefängnis. Nach
dem Grund dafür will ich gar nicht fragen, so unaufdringlich bin ich. Ich möchte nur etwas über Adriana Stanescu erfahren. Ich will hören, warum Sie den Auftrag bekommen haben, Sie zu töten.«
Er sackte zusammen und starrte das Glas in seiner Hand an. Er hätte es Oskar in sein geschwollenes Auge rammen können, aber dann hätte sich sofort Heinrich auf ihn gestürzt und ihn bewusstlos geschlagen. Und dann würde alles von vorn beginnen, nur dass man ihn vorher auf die Liege schnallen würde.
Zeit – ja, das war es, was er brauchte. Zeit, um sich alles durch den Kopf gehen zu lassen. Er musste sich was einfallen lassen. Egal was, Hauptsache, er konnte damit eine Stunde herausschlagen. »Niemand hat mir einen Auftrag erteilt.«
»Sie haben es also zum Spaß gemacht?«
»Ich habe ein Problem. Ich hab sie zu meinem Vergnügen getötet, aber es hat sich nicht so angefühlt, wie ich dachte. Es war …« Er ließ das Glas
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