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Last Lecture - die Lehren meines Lebens

Last Lecture - die Lehren meines Lebens

Titel: Last Lecture - die Lehren meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Pausch
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Sie sind Gebrauchsgegenstände und keine Statussymbole. Deshalb konnte ich Jai leichten Herzens erklären, dass wir keine kosmetischen Reparaturen bräuchten. Wir könnten gut mit Schrammen und Dellen leben.
    Jai war ein wenig schockiert. »Wir werden wirklich in zerbeulten Autos herumfahren?«
    »Na ja, Jai«, sagte ich, »du kannst nicht nur ein bisschen von mir haben. Du magst den Teil von mir, der sich nicht ärgert, wenn zwei ›Dinge‹ aus unserem Besitz beschädigt wurden. Die Kehrseite dieser Medaille ist meine Überzeugung,
dass man Dinge nicht zu reparieren braucht, solange sie tun, was sie tun sollen. Die Autos fahren noch. Also lass sie uns einfach fahren.«
    Okay, vielleicht lässt mich das schrullig erscheinen. Aber wenn dein Mülleimer oder deine Schubkarre eine Beule hat, kaufst du doch auch nicht gleich neue. Vielleicht, weil wir Mülleimer und Schubkarren anderen nicht als Statussymbole oder Ausdrucksformen unserer Identität vorführen? Unsere zerbeulten Autos wurden jedenfalls zu einem Symbol für uns und zu einem Statement über unsere Ehe. Man muss nicht ständig alles korrigieren.

19
    Eine Silvestergeschichte
    Ganz egal, wie schlecht die Dinge stehen, man kann sie immer noch schlechter machen. Doch oft liegt es auch in unserer Macht, sie zu verbessern. Diese Lektion lernte ich an Silvester 2001.
    Jai war im siebten Monat mit Dylan schwanger, und wir bereiteten uns darauf vor, das Jahr 2002 mit einem gemütlichen Abend und einer DVD zu Hause willkommen zu heißen.
    Der Film hatte gerade begonnen, da sagte Jai: »Ich glaube, meine Fruchtblase ist geplatzt.« Doch es war kein Wasser, es war Blut. Binnen einer Sekunde blutete sie so stark, dass mir klar wurde, es würde uns nicht einmal die Zeit bleiben, einen Krankenwagen zu rufen. Die Magee-Frauenklinik war höchstens vier Minuten entfernt, wenn ich alle roten Ampeln ignorierte. Und genau das tat ich.
    Als wir in der Notaufnahme eintrafen, stürzten sich Ärzte, Schwestern und anderes Krankenhauspersonal mit Infusionen, Stethoskopen und Versicherungsformularen auf uns. Schnell wurde festgestellt, dass sich die Plazenta von der Gebärmutterwand abgelöst hatte (der Fachausdruck dafür ist »Abruptio placentae«). Unter dieser Bedingung besteht die Gefahr einer akuten Mangelversorgung des Ungeborenen. Es braucht einem niemand zu erklären,
wie ernst diese Situation ist. Jais Gesundheit und die Lebensfähigkeit unseres Babys standen auf dem Spiel.
    Die Schwangerschaft hatte schon seit Wochen Probleme gemacht. Jai spürte kaum noch Tritte des Babys und nahm auch nicht genug an Gewicht zu. Da ich wusste, wie entscheidend es ist, sich aggressiv selbst um eine angemessene medizinische Versorgung zu kümmern, hatte ich auf einer weiteren Ultraschalluntersuchung bestanden. Und erst da hatten die Ärzte bemerkt, dass Jais Plazenta nicht richtig arbeitete. Das Baby entwickelte sich nicht gut. Die Ärzte gaben Jai eine Steroidspritze, um die Entwicklung der Lungen unseres Babys zu stimulieren.
    Schon das hatte uns Sorgen gemacht. Doch hier, in der Notaufnahme, nahmen die Dinge eine noch viel bedrohlichere Wendung.
    »Ihre Frau steht kurz vor einem Schock«, sagte eine Schwester. Jai hatte große Angst. Ich sah es ihrem Gesicht an. Und ich? Ich hatte auch Angst, versuchte aber gefasst zu bleiben, damit ich die Lage richtig einschätzen konnte.
    Ich sah mich um. Es war einundzwanzig Uhr am Silvesterabend. Natürlich hatten die renommierten Ärzte und Schwestern an diesem Abend alle freigenommen. Ich musste davon ausgehen, dass wir es mit dem B-Team zu tun hatten. Waren sie der Aufgabe gewachsen, mein Kind und meine Frau zu retten?
    Aber die Ärzte und Schwestern brauchten nicht lange, um mich zu beeindrucken. Wenn das das B-Team war, dann war es ein verdammt gutes! Sie machten sich mit einer wunderbaren Mischung aus Eile und Ruhe an die Arbeit. Keiner schien in Panik zu geraten. Sie verhielten sich so, als wüssten sie genau, wie sie effizient tun konnten, was getan werden musste, immer von Augenblick zu
Augenblick entscheidend. Und sie sagten die richtigen Dinge.
    Als Jai eilig für einen Notkaiserschnitt in den Operationssaal geschoben wurde, sagte sie zur Ärztin: »Es ist schlimm, nicht wahr?«
    Ich bewunderte die Ärztin für ihre Reaktion. Es war die perfekte Antwort, bedenkt man die Zeiten, in der wir leben: »Wenn wir wirklich in Panik wären, dann hätten wir Sie doch gewiss nicht erst alle Versicherungsformulare ausfüllen lassen, oder? Dann

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