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Last Lecture - die Lehren meines Lebens

Last Lecture - die Lehren meines Lebens

Titel: Last Lecture - die Lehren meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Pausch
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ihre Bereitschaft, mir die Dinge ohne Umschweife ins Gesicht zu sagen. Sogar heute, da wir nur wenige Monate vor uns haben, versuchen wir miteinander umzugehen, als wäre alles normal und als hätte unsere Ehe noch Jahrzehnte Zeit. Wir streiten, sind frustriert, werden zornig und versöhnen uns.
    Jai sagt, sie versuche noch immer herauszufinden, wie man mit mir umgehen könne, mache aber Fortschritte.
    »Du spielst immer den Wissenschaftler, Randy«, sagt sie. »Du willst Wissenschaft? Ich gebe dir Wissenschaft!« Früher pflegte sie davon zu reden, dass sie ein bestimmtes »Gefühl im Bauch« habe. Heute schleppt sie mir Daten an.
    Zum Beispiel wollten wir letzte Weihnachten meine Seite der Familie besuchen, aber sie hatten allesamt die Grippe. Jai wollte weder mich noch die Kinder der Gefahr einer Ansteckung aussetzen. Ich fand, wir sollten trotzdem fahren. Immerhin werde ich nicht mehr viel Gelegenheit haben, meine Familie zu sehen.

    »Wir werden alle Abstand halten«, erklärte ich. »Uns wird nichts passieren.«
    Da wusste Jai, sie würde harte Fakten brauchen. Sie telefonierte mit einer befreundeten Krankenschwester. Sie rief zwei Ärzte an, die in unserer Straße wohnen. Und sie bekam medizinische Meinungen. Sie sagten, dass es nicht sehr klug wäre, die Kinder mitzunehmen. »Ich habe die Meinung von unparteiischen medizinischen Autoritäten«, sagte sie. »Hier ist ihr Input.« Nachdem ich die Daten gelesen hatte, gab ich nach. Ich machte einen kurzen Trip zu meiner Familie, und Jai blieb mit den Kindern zu Hause. (Ich bekam keine Grippe.)
    Ich weiß, was ihr denkt. Es ist nicht einfach, mit Wissenschaftlern wie mir zu leben.
    Jai schafft den Umgang mit mir, weil sie geradeheraus ist. Wenn ich vom Kurs abtreibe, lässt sie es mich wissen. Oder sie gibt mir einen Warnschuss vor den Bug: »Irgendwas nervt mich. Ich weiß nicht, was. Wenn ich’s herausgefunden habe, lass ich’s dich wissen.«
    Gleichzeitig aber, sagt Jai, habe sie angesichts meiner Diagnose gelernt, ein paar kleinere Dinge durchgehen zu lassen. Das war ein Rat unserer Therapeutin. Dr. Reiss hat das Talent, Paaren, bei denen ein Partner tödlich erkrankt ist, dabei zu helfen, ihr Leben neu zu kalibrieren. Eheleute wie wir müssen einen Weg zu einer »neuen Normalität« finden.
    Ich bin ein Schlamper. Meine Klamotten, egal, ob dreckig oder sauber, liegen im ganzen Schlafzimmer verstreut, und wenn ich aus dem Bad komme, ist das Waschbecken ein Schlamassel. Das macht Jai verrückt. Vor meiner Krankheit ließ sie das nicht durchgehen. Doch Dr. Reiss gab ihr den Rat, nicht in die Falle der kleinen Dinge zu gehen.

    Ganz klar, ich müsste ordentlicher sein. Ich muss Jai Abbitte leisten. Denn sie hat aufgehört, von den kleinen Dingen zu reden, die ihr so auf die Nerven gehen. Wollen wir wirklich unsere letzten Monate zusammen über die Tatsache streiten, dass ich meine Hosen nicht aufhänge? Nein, wollen wir nicht. Heute befördert Jai meine Klamotten mit einem Fußtritt in die Ecke und geht zur Tagesordnung über.
    Ein Freund von uns gab Jai den Rat, Tagebuch zu führen, und Jai sagt, dass es hilft. Sie schreibt alles hinein, was ihr bei mir auf die Nerven geht. »Randy hat heute Abend seinen Teller nicht in die Spülmaschine gestellt«, notierte sie einmal. »Er hat ihn einfach auf dem Tisch stehen lassen und setzte sich an seinen Computer.« Sie wusste, dass ich völlig geistesabwesend war, weil ich im Internet nach möglichen medizinischen Behandlungen suchen wollte. Trotzdem nervte sie der Teller auf dem Tisch. Ich kann es ihr nicht verdenken. Also schrieb sie es auf, fühlte sich besser, und uns blieb wieder einmal ein Streit erspart.
    Jai versucht, sich auf den Tag und nicht auf das Negative zu konzentrieren, das uns bevorsteht. »Es hilft niemandem, wenn wir jeden Tag damit verbringen, uns vor dem Morgen zu fürchten«, sagt sie.
    Das letzte Silvester in unserem Haus war sehr emotional, sehr bittersüß. Es war Dylans sechster Geburtstag, also gab es eine Feier. Außerdem waren wir dankbar, dass ich es in das neue Jahr geschafft hatte. Aber wir brachten es nicht über uns, den Elefanten im Raum zur Sprache zu bringen - das nächste Silvester ohne mich.
    Ich ging an diesem Tag mit Dylan ins Kino. Wir sahen uns Mr. Magoriums Wunderladen an, die Geschichte eines Spielwarenhändlers. Ich hatte mir im Web die Inhaltsbeschreibung
durchgelesen, aber dort war nicht erwähnt worden, dass Mr. Magorium beschließt, es sei an der Zeit, zu sterben und

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