Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
nicht exakt an ihrem Platz, die Krawatte ruhte nicht selbstverständlichkorrekt auf dem weißen Hemd und das edle Tuch des schwarzen Anzugs mochte durch den Regen einige unpassende Falten aufweisen. Aber all das stand in keinem Verhältnis zu der Erscheinung, die Erich Konrad neulich geboten hatte, als Philipp Laubmann ihn am Boden der Bibliothek sitzen und weinen sah.
In scheinbarer Ruhe bot Konrad Dr. Laubmann diesmal einen Platz in der Sitzecke an. Er hatte keinen Grund, das Erlebte vor Laubmann zu verbergen, verschwieg freilich seine sehr persönliche Panik, die ihn ergriffen hatte. «Leider habe ich ein paar unerfreuliche Dinge zu berichten.» Der Professor schilderte knapp die Vorgänge in der Krypta, daß ihn jemand zum wiederholten Mal verfolgt zu haben schien.
«Woraus schließen Sie das?»
«Er hat mich auf eine merkwürdig verstohlene Weise beobachtet.»
Laubmann überlegte, daß ein allseits bekannter Professor innerhalb der Universität wohl kaum Nachstellungen entgehen konnte, wenn es einer darauf anlegte. «Ich nehme an, daß er irgend etwas über Sie oder Ihr Verhalten herausfinden wollte.» Er bemühte sich, Verständnis zu zeigen, wollte den Professor ob des entgegengebrachten Vertrauens nicht enttäuschen. Doch Laubmann hielt es auch für angemessen, auf eine kritische Distanz nicht zu verzichten. Das half, die Situation objektiver zu beurteilen.
«Aber warum? Und wer sollte das sein? Bis jetzt weiß doch kaum jemand von meiner Verstrickung in diesen Todesfall, diesen Mordfall – Sie wissen, was ich meine.»
«Im Gegenteil. Ich fürchte, das ist wohl inzwischen ein ganz schöner Personenkreis, allein schon die Polizei.» «Die Polizei, natürlich!» Von dieser seiner ursprünglichen Idee, nämlich Dr. Laubmann zu beauftragen, war der Professor gar nicht mehr so begeistert. Vielleicht hätte er sich besser niemandem anvertrauen sollen. «Sie glauben, die Polizei hat inzwischen begonnen, mich zu überprüfen?» «Das halte ich für möglich», antwortete Laubmann und betrachtete den Professor nachdenklich. Warum rechnete Konrad so sehr damit, überprüft zu werden? Mußte auch er, Philipp Laubmann, ihn in den Kreis der Verdächtigen einbeziehen, wie die Polizei es sicher bereits tat?
Ohne das näher zu ergründen, erzählte Laubmann, was er bei der Polizei erfahren hatte. Jedoch nicht alles. Glaser, Lürmann und er hatten nämlich vereinbart, über den Rosenkranz-Fund Stillschweigen zu bewahren, konnte das Wissen um dieses Indiz doch einen entscheidenden Vorsprung der Polizei gegenüber dem Täter bedeuten, zumal der zerrissene Rosenkranz erkennungsdienstlich nicht viel hergab.
«Ich muß Ihnen sagen», gestand Konrad, «daß mich Ihr Kommissar Glaser mittlerweile angerufen und einbestellt hat. Aber das beschäftigt mich weniger als die Frage, wer mich denn in der Krypta observiert hat, wenn es die Polizei nicht war. Wer will da was von mir?»
«Haben Sie gar keine Ahnung? Wobei wir nicht hoffen wollen, daß Sie am Ende bedroht werden.»
Der Professor dachte mit einem gequälten Gesichtsausdruck nach, dann formulierte er zögernd eine Antwort. «Ich muß da eine weitere Sache eingestehen. Es gibt jemanden, der auf jeden Fall bereits vorher etwas von unserem Verhältnis – ich meine das zwischen Franziska und mir – gewußt hat. Ich habe vor einiger Zeit anonyme Briefe erhalten – in Blockschrift. Darin droht mir jemand sinnigerweise mit ‹Höllenstrafen ›, wenn ich meine Liebesbeziehung nicht sofort beende, weil mir das als einem Kleriker nicht erlaubt sei. Irgendein religiöser Wirrkopf also. Einer, der glaubt, rücksichtslos auf die Einhaltung der Sitten achten zu müssen. Sie kennen das ja.»
Davon war Laubmann nun doch überrascht. «Verzeihen Sie, aber das wundert mich:Warum haben Sie mir das nicht eher gesagt? Ich bin davon ausgegangen, daß wirklich niemand von Ihrem Verhältnis eine Ahnung hatte!» Der Professor schwieg schuldbewußt. «Können Sie mir die Briefe zeigen?»
«Die hab ich zu Hause weggeschlossen. Wenn sie jetzt freilich so wichtig werden, könnte ich Sie Ihnen mitbringen.» «Wir sollten sie der Polizei übergeben», sagte Laubmann bestimmend.
«Ich bin so gut wie überzeugt, daß der Briefschreiber derselbe ist, der mich jetzt verfolgt. Und er ist dann auch der Mörder. Zuerst hat er meine Geliebte ermordet und jetzt stellt er mir nach. Weiß Gott, was er noch vorhat. Aber ich muß bekennen: Es wäre mir lieber, er hätte mich ermordet und nicht Franziska.
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