Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
Innenhof betreten würde. Konrad begab sich in sein Büro, ohne sich umzublicken, ob er denn noch verfolgt würde. ‹ Der kann mir egal sein; soll er mir nachlaufen ›, beschloß er. ‹ Bin richtig gespannt, ob er mich irgendwann erledigt – wenn er mich denn erledigen soll.› Er wollte weder lesen noch etwas aufschreiben; beides war ihm zu anstrengend.Also ordnete er etwas, einen Stoß Blätter, über die man nicht nachzudenken brauchte.
Philipp hatte hin und wieder aufgehorcht. Haben die nicht irgend etwas über «Verhütung» gesagt, Hüttenberger und der Priesteramtskandidat? Immer diese abgegriffenen, im Grunde uninteressanten Themen. Moraltheologisch längst durchleuchtet. Da gab es doch ganz andere Probleme zwischen Medizin, Psychologie und Moraltheologie, denen man sich stellen sollte! Ach ja, daß auch die Stichworte «Abtreibung» und «Jungfrauengeburt» – welch eine Kombination in einem Atemzug – fallen mußten, war bei Hüttenberger zu erwarten. Selbstverständlich hatte sich ein Moraltheologe wie Dr. Laubmann mit jenen Themen auseinanderzusetzen, aber doch nicht ausschließlich, und wenn, dann wesentlich sachlicher.
Weil «Hüttes» Partner nicht viel sprach und mitunter nur deshalb zustimmte, um die Belehrung nicht in alle Ewigkeit zu verlängern, glaubte Philipp das Ende des Gesprächs an seinem Beobachtungsposten hinter den Scheiben abwarten zu können. Er vermied eben Begegnungen mit Hüttenberger, wo immer es möglich war. «Hütte» fuchtelte mit den Händen energisch in der Luft herum.
In der Ferne des Flurs konnte Laubmann eine Studentin ausmachen, die sich den Diskutierenden näherte. Angestrengt schaute er in ihre Richtung, denn sie interessierte ihn, seitdem er einiges über ihre Lebensumstände erfahren hatte. Sie hatte ein uneheliches Kind, studierte, arbeitete und wollte Pastoralreferentin werden. Er war sich über seine allseitige Neugier seit langem im klaren. Hierbei war er ausnahmsweise etwas nachlässig in moralischen Dingen. Er könne sich diesen Charakterzug aber leisten, meinte er, weil er mit seinem detektivischen Spürsinn mitunter Gutes bewirke.
Die junge Frau hatte ihr Kind mitgebracht, ein Mädchen, noch vor dem Schulalter. Sie war eine seiner älteren Studentinnen, die ihr Kind nicht immer bei ihren Eltern lassen konnte und wollte und es manchmal mit in die Universität brachte. Die beiden kamen auf die verglaste Tür zu. Die Studentin öffnete sie und ließ das Kind zuerst hindurch, das sofort Dr. Laubmann anstarrte, obwohl es ihn kannte. Dieser tat so, als warte er nur höflich darauf, selbst die Tür passieren zu können. Als die Mutter, die ihren Dozenten sogleich grüßte, das Kind zur Damentoilette weiterziehen wollte, sagte es laut: «Mami, der Herr Doktor schwitzt!» Sie lächelte entschuldigend und schob ihr Kind vor sich her. Philipp Laubmann fühlte sich entdeckt und betrat den von ihm beobachteten Flur, wo Hüttenberger erneut ins eifernde Dozieren gekommen war.
«Die Heiligen sind durchaus ein Beweis für die Menschlichkeit des Zölibats!» gab er gerade bekannt.
«Und der heilige Augustinus hat 13 Jahre mit einer Konkubine zusammengelebt!» platzte Laubmann dazwischen. Hüttenberger sah ihn wenig erstaunt an, der andere Gesprächspartner wirkte angetan. «Grüß Gott, Herr Dr. Laubmann», sagte Hüttenberger einsilbig.
«Verzeihen Sie, ich will nicht stören.» Philipp versuchte sich vorbeizuschlängeln. «Ich hab auch nur wenig Zeit; mein Seminar ist schon überfällig.Wir können uns gern ein andermal über das Thema unterhalten …» Dieses Angebot bedauerte er aber gleich wieder, denn in der moraltheologischen Wissenschaft empfand er den Zölibat als weitgehend ausdiskutiert; das Problem erschien ihm mehr oder weniger auf die starre Haltung «Hüttes» und des Papstes reduziert, und darüber war eine längere geistvolle Unterhaltung seiner Meinung nach kaum noch möglich.
Auch Hüttenberger war im Moment erleichtert und stimmte zu. Laubmann grüßte beide nochmals und ging seiner Wege. Denn daß er es jetzt eiliger hatte, war nicht gelogen.
Nachdem Philipp Laubmann die Doppelstunde beendet hatte, begab er sich nicht zu seinem, sondern zu Erich Konrads Büro und fand ihn, als dieser ihn hereingebeten hatte, sehr gefaßt vor, äußerlich wiederum ganz der «feine Herr», als der er sich herzurichten pflegte. Nur winzige Zeichen deuteten dem scharfen Beobachter an, dass etwas anders war als sonst.Vielleicht lag eine Haarsträhne
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