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Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz

Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz

Titel: Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
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Heute weiß ich, was das heißt, wenn ein Liebender das Leben der Geliebten höher einschätzt als sein eigenes. Und wenn er gar sein Leben für das der Geliebten opfern würde.»
    Für Philipp Laubmann klang das stark übertrieben und bestenfalls romantisch. Deshalb lenkte er sofort ab: «Er müßte folglich ein Verfechter des Zölibats sein.» Der Professor griff den Einfall des Kollegen Laubmann auf: «Natürlich! Sie kennen doch diesen Menschen am Lehrstuhl für Dogmatik, diesen Hüttenberger?» Philipp nickte wissend. «Dem traue ich so manches zu!»
    «Wann genau haben Sie sich beobachtet gefühlt?» bohrte Laubmann nach.
    «Wie ich es Ihnen geschildert habe, zum Ende des Gottesdienstes, heute morgen.»
    «Dann kann es Hüttenberger nicht gewesen sein», stellte Laubmann schlicht fest, und er kostete es genießerisch aus, seine Beobachtungsgabe so direkt für seine kriminalistische Tätigkeit verwendet zu haben. «Hüttenberger war zu diesem Zeitpunkt innerhalb der Fakultät in ein längeres Gespräch vertieft, in das er sogar mich verwickeln wollte.» Konrad benötigte einen Moment, um das zu verstehen. «Das ist enttäuschend. Da hätte das Phantom wenigstens ein Gesicht gehabt.»
    «Aber Sie haben recht:Aus diesen Kreisen könnten Ihr Verfolger, der Briefschreiber und der Mörder kommen – sofern es nicht ein und dieselbe Person ist. Dann allerdings käme Hüttenberger insgesamt nicht in Betracht, obwohl ich ihm schon eine der drei Rollen zutraue. Ob er allerdings für alle drei zusammen raffiniert genug wäre? Er scheint mir zu vordergründig.» Hüttenberger mochte ja gestrengere Ansichten als sie alle vertreten, mochte für seine Ziele auch Rücksichtslosigkeit an den Tag legen, er mochte langweilig und miesepetrig sein, und doch steckte in ihm auch der Mut, zu seiner Sache zu stehen, jenseits aller Enge. Wie könnte er solch unmoralische Taten begehen? Höchstens aus Verzweiflung, dachte sich Laubmann, aus Verzweiflung über sich. Vielleicht war er ein ganz verzweifelter Mensch. «Was, denken Sie, können wir tun?» fragte Konrad nach einigen Sekunden des Schweigens.
    «Ich werde mich persönlich an den Kollegen Hüttenberger wenden», sagte Philipp fast beiläufig. Das aber war nur der erste Schritt des Plans, den er gerade auszuhecken begann. Wie benommen von seinen eigenen Gedanken stand er auf und ging, sich nur flüchtig verabschiedend. Und Konrad tolerierte diesen tranceartigen Zustand. Er war den Umgang mit Denkern gewohnt.
    Nach wenigen Minuten überkam den Professor der Verdacht, seine Sekretärin könnte nebenan etwas von dem Gespräch mitbekommen haben. Nach wie vor war er sehr auf Diskretion bedacht, denn er hätte sich, hätten zum Beispiel seine Studenten Kenntnis von seinem Verhältnis gehabt, sehr geschämt. Er schämte sich seit langem. Er öffnete vorsichtig die Tür zum Vorzimmer, um nachzusehen, gegebenenfalls eine Belanglosigkeit vortäuschend. Doch seine Sekretärin war gar nicht da. Er verspürte Erleichterung.
VI
    Zur Vorbereitung seines Plans begab sich Philipp Laubmann zum Fuß der sogenannten «Bergstadt», dorthin, wo viele reich bestückte Antiquitätengeschäfte in historischen Bürgerhäusern die engen Straßen säumten und sich die Wege zu einigen der sieben Hügel Bambergs verzweigten: Stephansberg, Kaulberg und dem nicht nur architektonisch den Blick auf sich ziehenden Domberg. Die Bergstadt war von der Inselstadt durch den Fluß Regnitz getrennt, der wiederum jene Inselstadt in zwei Armen umfloß und im Mühlenviertel unterhalb der Bergstadt sogar mehrere kleine Inseln ausgespart hatte.
    Die abgeschiedenen Spazierwege am Wasser benutzte Philipp Laubmann gern, wenn er sich einerseits in seine Jugendjahre zurückversetzen wollte und andererseits eine Möglichkeit brauchte, den Sonntagnachmittag zu verbringen. So manches Mal war er dort mit Luise, seiner Jugendfreundin, seiner ersten Liebe, entlanggelaufen. ‹Viel ist nicht draus geworden›, dachte er sich, aber allein der Vorname Luise – gleich jenem der preußischen Prinzessin, die der Bildhauer Schadow zusammen mit ihrer Schwester so innig porträtiert hat – faszinierte ihn noch immer. Um zum Fuß der Bergstadt zu gelangen, führte ihn sein Weg über den originellsten aller Flußübergänge, die Obere Brücke. Diese überspannte nicht einfach den Fluß, sondern durchquerte, indem die Baumeister je einen Brückenbogen davor und dahinter gesetzt hatten, das prunkende und bürgerstolze Alte Rathaus, das inmitten des

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