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Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz

Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz

Titel: Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
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Josef Maria; die Stimme der Dietrich klinge so außergewöhnlich verrucht – woraufhin Laubmann beschloß, die Musik leiser zu stellen.
    Um ehrlich zu sein, er kam sich mit all seinen Spleens an diesem Abend mehr und mehr komisch vor, gerade gegenüber Hüttenberger. Allein, was er an Speisen auftischte. Er hatte für die gesegnete Mahlzeit nämlich seiner Phantasie freien Lauf gelassen und sich für ein durchgängig «gläsernes» Essen entschieden. So verwendete er nicht nur Gefäße und Teller aus Glas, sondern wollte seine Gäste mit möglichst durchsichtigen Speisen verwöhnen: eine dünne, wäßrig scheinende Fischsuppe; dazu Heringe in Gelee mit gut sichtbaren Schwimmflossen; Aal in Aspik mit chinesischen Glasnudeln; Weißweincreme zum Nachtisch; Mineralwasser, still; Wein, kein roter natürlich; ein klarer Obstbrannt. «Ausgezeichnet, ausgezeichnet», lobte Hüttenberger die servierten Gänge und aß mit Genuß. Auch Philipp Laubmann zögerte nicht, es sich schmecken zu lassen. Schließlich hatte er höchstselbst die Zubereitung vorgenommen beziehungsweise die in Teilen vorgefertigten Gerichte eingekauft; und außerdem war er daran gewöhnt. Allein seine Cousine hielt die aus der Küche hereingetragenen Substanzen für einen Scherz und wartete, nur zögerlich stochernd, auf das richtige Menü. Doch es blieb dabei. Sie lächelte zaghaft und führte einige Häppchen zum Mund, denn die Blicke der Herren ruhten auf ihr. Zu ihrem Leidwesen entsprach lediglich der von ihr selbst mitgebrachte Weißwein ihrem Geschmack.
    Philipp schenkte vor allem Hüttenberger, der ihm unverhofft statt eines Weins einen Rosenkranz als Gastgeschenk überreicht hatte, kräftig ein, um ihm die Zunge zu lösen, wünschte aber inständig, daß kein vergeistigt-ekstatisches Zungenreden, keine Glossolalie, hervorbrechen möge. «Haben Sie nicht ein Büchlein über das Essen veröffentlicht, über das Üble daran …» – Josef Maria nahm einen Happen Aal zwischendurch zu sich und beendete vollmundig die Frage an seinen universitären Kollegen – «… daß es einem mulmig wird davon?»
    «Sie müssen während des Mahls ja nicht lesen», mahnte Laubmann.
    «Weshalb denn nicht?» fiel es der Cousine ein. «Das könnte lustig werden.»
    Hüttenberger schmatzte schluckend dazwischen: «Das ist seine Doktorarbeit. Summa cum laude! Dogmatisch allerdings unwesentlich. Warten Sie … der Titel klingt so, als würde er einem die Freude am Essen verderben wollen.» Josef Maria war längst zu Scherzen aufgelegt.
    «‹Die moralischen Aspekte der menschlichen Nahrungsaufnahme›. Mir hat es jedenfalls den Appetit noch nicht verdorben», konterte Philipp aufgebracht. Aber er war selbst schuld. ‹ Der verträgt nichts›, dachte er. «Hochtheologisch!»
    «Lieber hoch-theologisch als tief-religiös.» Außer seiner Dissertation und ein paar unbeachteten moraltheologischen Aufsätzen in Fachzeitschriften hatte Philipp Laubmann noch nichts veröffentlicht. Darin fühlte er sich kaum bedeutender als Hüttenberger. Lediglich zu einer Festschrift anläßlich der Emeritierung eines ungeliebten Kirchenrechtsprofessors hatte er noch einen Text beigesteuert; aber Hüttenberger ebenfalls.
    Irene wurde ihrem Namen gerecht und besänftigte die Gemüter: «Wir wollen doch nicht übertreiben; ein so schönes Fest.» Sie beeilte sich, neues Essen aus der Küche zu holen, zur Versöhnung. Von dort rief sie: «Was feiern wir eigentlich? Gibt es irgendeinen Anlaß?»
    «Keinen Anlaß, zumindest nicht direkt. In den letzten Tagen hab ich mich eher mit einem traurigen Ereignis befassen müssen.»
    «Das Leid ist oft am anregendsten», meldete sich Hüttenberger wieder.
    Philipp Laubmann sah ihn an: «Damit haben Sie nicht mal so unrecht. Es ist was dran an diesem Leid. Erschütternd, aber spannend.»
    «Redet ihr jetzt von was Religiösem?» wollte die Cousine wissen.
    «Zunächst geht's nur um einen Unfall mit Todesfolge», antwortete Laubmann. «Ihr habt das sicher in der Zeitung gesehen: ein Aufmacher auf der Lokalseite mit Fortsetzung.» «Du denkst an den Unfall am Stadtpark», sagte Irene Laubmann. «Haben Sie das nicht auch verfolgt, Herr Hüttenberger?»
    Josef Maria hatte ihr nicht angeboten, ihn mit seinen Vornamen anzusprechen. Zudem verhielt er sich mit einem Mal einsilbiger. Die Wirkung des Weins war verflogen: «Doch; aber ich befasse mich mit wichtigeren Fragen.» «Dogmatischer Natur», stellte Philipp Laubmann fest. «Ganz recht.»
    «Da ergibt sich

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