Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
oder sein Unglück schon? Jedenfalls hatte er grundsätzlich keine Lust mehr, sich seine Liebe zu Franziska fortwährend rational erklären zu müssen. Für ihn war es eine wahre Liebe und daher letztlich unerklärlich. ‹ Und außerdem›, so sagte er sich, ‹leb ich gar nicht in so festen Bahnen. Meine Forschungsarbeiten sind etwas ganz anderes, gar nichts Festgelegtes. Und es stört mich nicht, im Gegenteil. Die sind bei weitem nicht so stumpfsinnig wie diese Beamtenarbeit, die sie hier bei der Polizei verrichten.›
Die Verachtung für das in seinen Augen niedere Beamtenwesen steigerte sich noch, während seine Haushälterin und er die Pforte passierten und über die Treppen und Gänge zum Kommissariat gelangten. Fast wütend klopfte er an die Tür Kommissar Glasers und öffnete sie schon, bevor das «Herein!» von der anderen Seite zu hören war. Den vorgeschriebenen Eingang durch das Sekretariat mit Anmeldung hatte Konrad mißachtet. «Frau Steinig, meine Haushälterin», stellte er seine Begleitung kurz vor.
Kommissar Glaser, der an seinem Schreibtisch saß, schaute überrascht zu ihr auf, blickte in das ernste, spitze Gesicht einer zurückhaltenden Frau Anfang 50 und sagte nur trocken: «Sie waren nicht vorgeladen. Ich muß Sie bitten, draußen zu warten.»
Konrad hätte dies zu einem anderen Zeitpunkt als anmaßend erachtet und sich darüber empört; diesmal schwieg er, weil er froh war, daß sie, ein Nicken andeutend, das Zimmer verließ. Die Aussicht, daß der Kommissar sie ebenfalls zu dieser unglücklichen Geschichte befragen könnte, gefiel ihm gar nicht.
Die Büroatmosphäre war anders als von Konrad erwartet. Eigentlich gar nicht geschmacklos. Gewiß: das Übliche.Aber Altes und Modernes waren so kombiniert, daß beides sich nicht gegenseitig abstieß. Hätte Glaser mehr Zeit auf die Einrichtung seines Büros verwandt, hätte er sogar einen eigenen Stil hineinbringen können, dachte der Professor für sich. Doch der Kommissar pflegte die Schmucklosigkeit, um niemandem Gelegenheit zu geben, sich abzulenken. Glaser bat den Professor, Platz zu nehmen, und tippte auf die Sprechanlage. «Kommen Sie bitte beide herüber zur Zeugenvernehmung!»
Der Professor fühlte sich unwürdig untergebracht auf dem Holzstuhl, der ihn noch am ehesten an die Küchenstühle seiner Haushälterin erinnerte. Christine Fürbringer, die Sekretärin Glasers, eine schlanke, nicht unattraktive junge Frau, sowie Kriminalkommissar Ernst Lürmann kamen durch die verglaste Seitentür herein.
Glaser blätterte zunächst einige lange Sekunden in einem Aktenordner, den er seitlich von einem einfachen hölzernen «Aktenhund», einem fahrbaren Ständer, gehoben hatte. Konrad bewegte sich unruhig auf dem Stuhl.
«Sie wissen, Herr Professor, daß Sie das Recht haben, die Aussage zu verweigern, einen Anwalt hinzuzuziehen…» «Dann gehe ich lieber gleich wieder.»
Als er bereits halb im Aufstehen war, fuhr ihn Glaser schroff an, daß er dann noch mehr verdächtig sei und mit unangenehmeren Arten der Nachforschung zu rechnen habe. Der Kommissar war richtiggehend ausfallend geworden. Was bilden sich diese Intellektuellen eigentlich ein! Sofort klärte er Konrad weiter über seine Rechte auf. Das klang aber mehr wie eine Drohung, zumal die junge Sekretärin sogleich alles mitstenographierte, was jedem Wort des Kommissars zusätzlich Wichtigkeit verlieh.
Konrad hatte wieder Platz genommen. Auch Lürmann hatte sich demonstrativ niedergesetzt, um dem Professor zu verdeutlichen, daß an Weggehen nicht zu denken war. Glaser hatte sich rasch beruhigt und ließ die «Angaben zur Person» aufnehmen, die ihm nunmehr Professor Konrad hochmütig entgegenschleuderte. Vor allem als es darum ging, die akademischen Grade anzuführen, gewann Konrad Oberwasser.
Doch Glaser blieb souverän. «Kennen Sie diese Frau?» Er zeigte den Ausweis des Opfers.
«Sicher. Der Ausweis gehört – gehörte – Franziska Ruhland.»
«In welchem Verhältnis standen Sie zu dieser Frau?»
«Ich war mit ihr befreundet.»
«Wie weit ging diese Freundschaft?»
«Was heißt das – wie weit sollte so etwas nach Ihrer Ansicht gehen?»
«Hatten Sie eine sexuelle Beziehung mit ihr?» «Das ist ja wohl zu persönlich, als daß es Sie etwas anginge! Ich muß sagen, ich verstehe überhaupt nicht, wie Sie, an diesem offiziellen Ort, dazu kommen, mich nach diesen persönlichen, ja geradezu intimen Dingen zu fragen. Die würde ich nicht mal mit meinen engsten Freunden
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