Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
Professor gegebene Zusage gebunden, dessen Namen herauszuhalten, so daß er die Tatsache ihres zufälligen Aufeinandertreffens in der Bibliothek nun nicht weiter verschwieg. Die näheren, dem Professor gewiß unangenehmen Begleitumstände behielt er freilich für sich.
Glaser war über diese Miteilungen hoch erfreut und schlug seinem, mit Bedacht so genannten, «Kollegen» eine begrenzte Zusammenarbeit vor: Dr. Laubmann kenne sich in der Universität besser aus, falle weniger auf als die Polizei und habe einen vertrauensvolleren und persönlicheren Zugang zu dem zu befragenden Personenkreis. Philipp war von dieser Idee recht angetan.
Aber, betonte der Kommissar, er bestehe auf strikter Kooperation. «Ich muß Sie dringend bitten, in Ihren Nachforschungen nicht nur Ihr eigenes kriminalistisches Vergnügen zu suchen und selbstverständlich nichts zu unternehmen, was ich nicht decken könnte. Ich sage, wo's langgeht, und Sie wenden sich mit Ihren Informationen allein an mich. Das mag eine ungewöhnliche Art der Zusammenarbeit sein, aber warum sollten wir Ihre Neugier nicht nutzen; Sie könnten sie eh nicht zügeln.» Dr. Laubmann kramte verlegen lächelnd in ungeordneten Papieren.
«Lassen Sie uns doch noch mal zusammenfassen, wen wir haben: zunächst den Professor; der gehört für mich uneingeschränkt zu den Kandidaten, auf die ein Verdacht fällt», stellte Glaser sachlich fest.
«Das heißt, Sie … oder besser: wir … wir gehen ab jetzt von der Annahme aus, daß es sich um ein Verbrechen handelt.» «Zumindest handeln könnte. Richtig. Dann Ihr Gast, dieser Josef …?» «Josef Maria Hüttenberger.» «Welches Alibi hat er angegeben, sagen Sie?» «Eine Sühnenacht.»
«Was ist das denn?»
Laubmann schmunzelte und empfand ein wohliges Gefühl, weil er als Detektiv ernst genommen wurde. «Sühnenächte halten so manche für eine hohe Form der Buße. Die sind dann die ganze Nacht über in einer Kirche zugange mit dem Abbeten von Kreuzwegen, Litaneien, Rosenkränzen, Marienandachten …»
«Schon wieder der Rosenkranz!» unterbrach ihn Glaser. «Die feiern zum Beispiel, als zeitliche Zäsur, um Mitternacht eine Lateinische Messe, wenn ein Priester anwesend ist. Der hört auch meist die Beichte, die bei der nächtlichen Bußleistung immer groß ankommt. Solche Gelegenheiten lassen die sich nicht entgehen. Da werden die Beichtstühle noch frequentiert!» «Ist das alles?»
«Das reicht doch wohl; machen Sie das mal eine Nacht lang mit! Sicher, man kann zwischendurch mal rausgehen, mal was essen, was trinken und was sonst noch sein muß, und einige werden in der Dunkelheit drinnen einnicken.» «Sie meinen also, wenn wir das Alibi von Hüttenberger überprüfen, werden wir genügend Zeugen finden, die es bestätigen – oder eben nicht?»
«Das muß nicht sein, vor allem was die Lückenlosigkeit anbelangt. Es ist durchaus möglich, daß nur ganz wenige anwesend waren, und es ist vorstellbar, daß einer für eine Zeitlang allein im Kirchenschiff bleibt. Und Sie sollten auch bedenken, daß die Zeugen womöglich nicht sehr zugänglich sind beziehungsweise auf Anonymität Wert legen. Ich will nun nicht behaupten, daß alle, die an einer Sühnenacht teilnehmen, verkrachte religiöse Existenzen sind; aber in ihrer Extremform geht diese Art der Buße in Richtung Leistungsfrömmigkeit, weshalb es passieren kann, daß sich jemand geradezu in einen religiösen Wahn hineinsteigert. Kein Wunder, wenn man sich leichtfertig für alles Böse der Welt die Schuld aufladen will.»
«Das sind ja regelrechte Abgründe, die Sie mir da schildern», bemerkte Glaser angeschlagen. «Wie halten Sie's in Ihrer Kirche bloß aus?»
«Ich denke, daß die Kirche mehr zu bieten hat; und Gott allemal. – Ich hoffe es wenigstens», antwortete der Moraltheologe Laubmann nach kurzem Innehalten.
«Darin haben Sie mehr Erfahrung», lobte der Kommissar, hielt sich aber nicht damit auf, sondern nannte als dritten Verdächtigen Berthold Prestl. «Den stellvertretenden Bibliotheksleiter hat Professor Konrad als den Ex-Verlobten der Ruhland bezeichnet.»
«Ach der war das. Wo hatte ich nur meine Augen?» Laubmann begann seine randlose Brille zu polieren. «Es kann natürlich auch so sein», überlegte Kommissar Glaser weiter, «daß uns Konrad mit dem Hinweis auf Prestl nur von sich ablenken möchte, was ich ihm genauso bei seiner Verfolgungs-Geschichte zutraue.»
«Ich finde, wir sollten den Unbekannten aus der Domkrypta, sofern er existiert,
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