Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
recht ist.»
«Dabei könnte ich helfen», bot sich Laubmann an. Der Kommissar vermied es, diesbezüglich einen Auftrag zu erteilen. «Vielleicht lassen sich sogar unter den Sekretärinnen oder Haushälterinnen oder den Kollegen weitere Verdächtige finden. Hat's alles schon gegeben», überlegte er statt dessen.
«Ist Ihnen denn bekannt, daß die Sekretärin Konrads am Lehrstuhl zugleich seine Haushälterin ist?»
Der Kommissar reagierte verblüfft: «Eine einzige Person? Ist das überhaupt gestattet, eine derartige Zweiteilung des Arbeitsverhältnisses?»
«Offenbar. War bei Hans Küng, glaub ich, mal so ähnlich.»
«Bei wem?»
«Einem Theologen.»
«Hier an der Fakultät?»
«Viel berühmter. Wie die gute Melitta Steinig allerdings in den Dienst bei Professor Konrad gekommen ist, weiß ich nicht.»
«Melitta?»
«Ein außergewöhnlicher Vorname, auf den altgriechischen Begriff für ‹ Biene › zurückgehend. Ich kenn Frau Steinig mehr vom Sehen. Wie sich die zwei Arbeitsplätze in ‹Personalunion› organisatorisch aufteilen, da müßte ich nachfragen. Ich kann mich auch deswegen mal umhören.» Der Kommissar erteilte wiederum keinen Auftrag. «Wer bezahlt denn die Stelle einer solchen Haushälterin? Die Kirche?»
«Ich bin kein Angehöriger der Klerisei», flocht Laubmann ohne Bedauern ein. «Keine Ahnung, wie das offiziell gehandhabt wird. Wär das nicht ebenfalls was für Herrn Lürmann?» Es klang, als würde er Kriminalkommissar Lürmann nicht viel zutrauen.
«Von mir aus gern. Wenn er schon zum Rosenkranz Erkundigungen einzieht, kann er sich gleich nach alten Haushälterinnen erkundigen, zu denen so was paßt. Da haben Sie recht.» «So alt ist die gar nicht. Das täuscht.»
«Professor Konrad hat uns im übrigen ein Bündel anonymer Briefe überreicht. Kollege Lürmann hat sie kriminaltechnisch untersuchen lassen: Sie stammen eindeutig vom selben Urheber.»
«Ich glaube nicht, daß das unsere respektive Ihre Suche nach dem Unbekannten vereinfacht. Wir wissen, daß Hüttenberger der Absender ist. Aber bringt uns das weiter?» «Das hat er Ihnen zweifelsfrei gestanden?»
Philipp Laubmann nickte bestätigend. «Er konnte sich nicht mehr rausreden. Aber wer sagt uns, daß Konrad Ihnen alle Briefe ausgehändigt hat? Vielleicht hat er noch von anderen welche erhalten, vielleicht mit verfänglicheren Inhalten, die er deshalb bei sich behält? Und wer sagt uns, daß es nicht mehrere Unbekannte sind, die Konrad im Visier haben? Er könnte sich täuschen, indem er sich gedanklich zu sehr auf einen fixiert. Damit stünde sogar Hüttenberger wieder zur Auswahl.»
«Wenn wir diesen Herrn Hüttenberger vernehmen, werden wir ihn auf jeden Fall mit seinen Briefen konfrontieren und von ihm Fingerabdrücke nehmen lassen.»
Sie verstanden sich besser als im Kommissariat; als hätte jeder das erreicht, was er wollte, der eine freie Hand, der andere Kontrolle. Laubmann war geneigt, hinter sich zu greifen und vom kleinen Stapel der Freiexemplare seiner Dissertation zu den moralischen Aspekten der menschlichen Nahrungsaufnahme eines wegzuholen, um es dem Kommissar feierlich zu überreichen. Er unterließ es jedoch, wollte sich dieses eine Mal nicht aufdrängen, weil er glaubte, der Kommissar würde so gar nichts daran finden. Vielleicht hätte er es auf einen Versuch ankommen lassen sollen.
«Haben Sie eigentlich Konrad am Abend der Tat gesehen, etwa bei dem Vortrag?» wollte Glaser noch wissen. «Nein; aber ich hab trotzdem ein Alibi. Ich hatte nämlich selber einen Vortrag zu halten. In einer Pfarrei.»
Zurück im Kommissariat, hatte Glaser bei Dienstende den Eindruck, im Ruhland-Fall einen Fortschritt erzielt, zumindest etwas Richtung Tätersuche auf den Weg gebracht zu haben, zumal er sich an diesem Tag ansonsten nur mit Routineangelegenheiten hatte befassen müssen. Auch Laubmann fühlte sich angeregt wie selten in letzter Zeit, geradezu herausgefordert. Noch in der Universität, dann auf dem Nachhauseweg und schließlich in seiner Wohnung zwischen seinen Büchern gab er sich völlig den Spekulationen über den Todesfall hin, erwog Motive und Gelegenheiten, ja spielte in Gedanken alle möglichen Tatverdächtigen durch.
So kam es ihm in den Sinn, seinen kriminalistischen Schwung zu nutzen und endlich den Mut aufzubringen, mit Elisabeth Werner per E-Mail in Kontakt zu treten. Er hatte es hinausgezögert, wobei am wenigsten seine Scheu vor Frauen daran schuld war. Schon eher eine Scheu, sich mit einer
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