Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
als Verdächtigen nicht ausschließen, gerade weil er mit Hüttenberger nicht identisch sein kann.» «Akzeptiert.»
Philipp Laubmann hätte jetzt allzugern und von neuem über den Rosenkranz als liturgischen Gegenstand referiert, hatte er Glaser doch schon vorab gebeten, den am Tatort entdeckten und nicht mehr ganz intakten Rosenkranz mitzubringen, um ihn mit dem zu vergleichen, der ihm von Josef Maria Hüttenberger anläßlich der Essenseinladung vor knapp einer Woche geschenkt worden war und den er bei sich hatte. Tatsächlich: «Die gleichen sich wie ein Haar dem anderen. Die stammen ohne Zweifel aus der gleichen Rosenkranzproduktion.» Laubmann richtete einen erwartungsvollen Blick durch die frisch glänzenden Brillengläser auf den Kommissar.
Der hatte sich diesmal jedoch innerlich darauf vorbereitet und unterband jegliche Ausführung über den Gottesdienstgebrauch der Rosenkränze: «Wir sollten uns nicht theologisch, sondern kriminologisch fragen, wohin die Spur dieser beiden Indizien führt. Einverstanden?»
«Warum nicht in eine Devotionalienhandlung?» «Sie meinen so ein Geschäft für Rosenkränze und heiligen Krimskrams?»
«Im weitesten Sinne. Hier in der Stadt und in der näheren Umgebung ist mir allerdings nur ein einziges Geschäft bekannt, das sich auf den ‹ Krimskrams› spezialisiert hat.» «Das kann Lürmann übernehmen», entschied der Kommissar, «wenn auch diskret. Denn vielleicht haben wir Glück, und der Täter ahnt noch immer nichts von seinem Verlust.»
«Falls er überhaupt einen Verlust zu beklagen hat. Es besteht ja durchaus die Möglichkeit, daß der Rosenkranz vom Tatort nicht zur Tat gehört.»
«Wer bitte sonst sollte ausgerechnet dort einen Rosenkranz verlieren, und zudem einen, der zerrissen ist?» «Irgendein frommer Kirchgänger. Der Tatort liegt immerhin gar nicht so weit von St. Vitus entfernt.» «Ja, und?»
«Dort werden regelmäßig die Sühnenächte gefeiert, zu meinem Bedauern.» Laubmann verzog sein Gesicht zu einer säuerlichen Grimasse.
Dagegen hellte sich das Antlitz Glasers auf: «Das sagt er mir so nebenbei. Das nenn ich eine heiße Spur. Wir werden uns den Hüttenberger schnappen und endlich ordentlich verhören!»
Laubmann, in Sorge, durch seine ein wenig voreilige Schlußfolgerung den Kommissar zu unbedachten Schlüssen bewogen zu haben, wagte den vorsichtigen Einwand, daß eine heftige Reaktion Hüttenbergers auf die zölibatären Verfehlungen Konrads zwar sehr naheliegend sei, aber auch sehr durchsichtig. «So dumm ist der Hüttenberger nicht, trotz der anonymen Briefe.»
«Dann meint er halt ausgesprochen schlau zu sein und uns mit seiner Rosenkranz-Dublette provozieren zu können. Außerdem ist eine Tat im Affekt nicht auszuschließen.» Der Kommissar klopfte mit dem Zeigefinger auf den mit Papieren übersäten Schreibtisch. «Als erstes hol ich mir diesen Fanatiker, und danach kümmern wir uns um Prestl und noch einmal um diesen Konrad. Zudem werden wir das Umfeld der Herrschaften unter die Lupe nehmen, Sekretärinnen befragen, Kollegen. Sie könnten sich gleich mal unauffällig an den zweiten Professor ranpirschen, der mit Konrad zusammen den Vortragsabend gestaltet hat. Mich würde interessieren, was er von Konrad hält; schließlich ist er ja sein Alibi. Hanauer heißt der Kollege.» «Raimund Hanauer. Er ist mein Chef.» «Haben Sie Skrupel deswegen?»
«Ganz und gar nicht», gluckste Laubmann fröhlich, «ich bin doch kein Apotheker.»
Hätte Dietmar Glaser den Philipp Laubmann nicht gekannt, würde er an dieser Stelle bestimmt entgeistert geschaut haben. So wartete er nur unbewegt, und Laubmann konnte sein Sprachspiel vollenden.
«‹Skrupel › ist nämlich nicht nur eine Bezeichnung für Gewissenszweifel, sondern außerdem für ein früher gebräuchliches Apothekengewicht. Scrupulus, das Steinchen; und im übertragenen Sinn die Bedenken, die im Wege stehen, an denen man sich stößt. Fragen Sie mal Ihren Apotheker, ob er noch solche Gewichte hat; sonst könnten Sie behaupten, daß er skrupel-los ist.»
Glaser blieb bei seinem eigenen Gedankengang: «Steht Professoren, die Priester sind, also Priestern generell, neben Sekretärinnen überhaupt so jemand wie eine Haushälterin zu?»
«Schon möglich. Hanauer hat meines Wissens nach keine, aber Konrad.»
«Genau die meine ich. Ich hatte bereits das Vergnügen. Wir werden ihre Aussage noch brauchen, denke ich, für die Eckdaten von Konrads Alibi, selbst wenn's dem Professor nicht
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