Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
höher schlagen ließen, die Stuckverzierungen, die sich in gewisser Weise in den Bodeneinlegearbeiten wiederholten, und nicht zuletzt die Galerie der Porträtgemälde. Diese konnte Philipp Laubmann jedoch weiterhin betrachten, weil sie sich im Rücken des nunmehr am Schreibtisch sitzenden Dr. Prestl befanden. Laubmann konnte aus der Entfernung die unter den Gemälden angebrachten Schrifttäfelchen nicht genau lesen, er wußte aber, daß es sich sozusagen um die Ahnengalerie der Bibliotheksdirektoren handelte. Hinter den Namen folgten jeweils die Jahreszahlen ihrer Vorstandschaft; das älteste Gemälde stammte noch aus der Renaissance; das neueste war in einem Stil gemalt, der sich, vielleicht von Kokoschka inspiriert, den letzten Jahrzehnten zuordnen ließ. In manche Porträts waren spielerisch Buchmotive eingearbeitet. Am lustigsten erschien ihm ein Rokokobild, auf dem der Herr Direktor mit einem «Füllhorn» dargestellt war, aus dem sich Unmassen von Schweinslederfolianten ergießen wollten. Aus der Art, wie Dr. Prestl nun vor dieser Galerie thronte, schloß Laubmann, daß es wohl der allersehnlichste Wunsch dieses Buchbeamten sein mußte, einmal mit seinem eigenen Konterfei in dieser Reihe verewigt zu sein.
Prestl überreichte seinem Gast voller Stolz das lange bestellte kostbare moraltheologische Werk. «Wir haben es von der Universitätsbibliothek in Wien nur bekommen, weil wir schon längere Zeit vertrauensvoll mit ihr zusammenarbeiten.»
«Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen; ich war mir nicht sicher, ob sich die Bibliothek in diesem schwierigen Fall so einsetzen würde.» Philipp war tatsächlich hocherfreut, die Erstausgabe eines alten Katechismus in seinen Händen halten zu dürfen, denen man in ihrer Wohlgeformtheit ansah, daß sie allzeit nur mit Papieren, Schreibutensilien und Büchern in Berührung kamen.
Und dann gedachte er sich auch schon zu verabschieden. Prestl kam ihm jedoch zuvor. «Ich wollte allerdings noch etwas Privates und … na ja, Prekäres mit Ihnen besprechen, das mich zutiefst beschäftigt…»
Laubmann machte ein ahnungsloses Gesicht und forderte Prestl mit einer einladenden Handbewegung auf, weiterzusprechen. Kaum konnte er seine «Anteilnahme» bezähmen.
«Es geht schlicht darum: Ich habe Sie mit Herrn Professor Konrad gesehen …»
Sollte Prestl der Unbekannte sein, schoß es Laubmann durch den Kopf.
« …und ich habe bemerkt», fuhr Dr. Prestl fort, «daß Sie ein gewisses Vertrauensverhältnis zu ihm haben.Außerdem ist ja bekannt, daß Sie es verstehen, sich gut mit der Polizei zu stellen.»
Philipp Laubmann wunderte sich nun doch, daß er wiederum auf sein Verhältnis zur Polizei angesprochen wurde und aufgrund dessen ins Vertrauen gezogen werden sollte; denn darauf lief es offenbar hinaus. «Und was heißt das?» «Sehen Sie, ich müßte etwas mehr erfahren über den Tod von Frau Ruhland. Ich wollte Sie bitten, mir zu sagen, ob Sie etwas wissen, was über die Gerüchte hinausgeht, insbesondere etwas darüber, inwieweit Herr Konrad in die Sache verstrickt ist.Verstehen Sie mich nicht falsch …aber ich hab einen Grund für meine Anfrage: Ich war nämlich auch einmal mit Frau Ruhland befreundet, verlobt sogar, bis Konrad gekommen ist.» Die kleinen Augen Prestls glitzerten leicht wäßrig durch die trapezförmigen Brillengläser. «Ich verstehe das durchaus.»
«Ich möchte eben vermeiden, daß ich selbst zu sehr in …ja in den Vordergrund gerate; das ist doch, hoffe ich, verständlich. Ich war schon lange nicht mehr mit Frau Ruhland zusammen. Trotzdem, vielleicht besteht ja die Gefahr, daß ich jetzt in diesen Todesfall hineingezogen werde.» «Sicher.»
«Sehen Sie, das ist es, was mich zur Zeit so beschäftigt: Sobald nur die Möglichkeit eines Verdachts auftaucht, mir gegenüber, dann bin ich in einem ganz merkwürdigen… Status! Nach außen hin.»
«Können Sie nicht in aller Ruhe abwarten, bis sich die Sache klärt?» Wollte ihn Prestl von irgend etwas ablenken, ihn gedanklich in eine bestimmte Richtung drängen? «Mein Gott, wie Sie sich vielleicht denken können, habe ich mich um die Stelle des Leitenden Bibliotheksdirektors beworben, und als Stellvertreter des Vorgängers und jetziger kommissarischer Leiter habe ich alle Chancen.» ‹ Daher weht der Wind!› Laubmann sah an Prestl vorbei und projizierte dessen Bild gedanklich in einen Rahmen an der Wand. «Und deshalb möchten Sie nicht, daß irgendeine Ungereimtheit in Ihre Personalakte
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