Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
Prestl?
«Der hat keine halbe Minute davor das Haus drüben verlassen, mit der aus der Bibliothek, mit der er was hat.» Lürmann notierte die Aussage und bedankte sich. Es freute ihn, einen Mosaikstein mehr gesammelt zu haben, der sich ins Gesamtbild einfügen ließ.
«Halt!» rief der Hausmeister ihm nach, ein Vorkommnis hätte er noch zu vermelden: An dem Vortragsabend hielt sich etwas abseits im Innenhof, allerdings nah genug an seiner Wohnung, eine Frauensperson auf, die nur einfach dagestanden und sich kaum gerührt hat. «Mit so blonden Haaren und einem ganz weißen Kostüm. Das war zu dünn für die Jahreszeit. Aber immerhin mit weißen Handschuhen. Es gibt ja schon Nachtfröste.» Die sei erst so um 20 Uhr 45 abgehauen. «Sonst hätt' ich sie angesprochen und sie darauf aufmerksam gemacht, daß sie sich hier bei mir nicht einfach in einer Ecke rumzudrücken hat. Die muß aber unser Professor Konrad auch gesehn haben, denn der ist zusammen mit seinem Kollegen und der Kollegin an ihr vorbeigegangen.»
Wiederum fürs Protokoll: «Trifft es zu, Frau Schmidt, daß Sie mit Herrn Dr. Prestl liiert sind?»
Sie bejahte, hatte die beiden Herrn jedoch vorsorglich in einen Nebenraum der Bibliothek gebeten. Philipp bewunderte ihre hellen Augen. Sie gab an, daß Prestl sich mit Franziska Ruhland habe treffen wollen, um seine früheren Gefühle für Frau Ruhland und seine jetzigen für sie, wie er sagte, «abzuklären».
«Ein rohes Wort», bemerkte Laubmann leise. Sie sah ihn zustimmend an und nickte.
Berthold – Dr. Prestl – habe ihr für diesen Abend den Auftrag erteilt, Professor Konrad nicht aus den Augen zu verlieren, damit es zu keinem unglücklichen Zusammenstoß käme, wenn er allein bei Frau Ruhland sei, bei ihr zu Haus; nicht daß der Professor am Ende noch durchdrehe. «Deshalb hat er mir die Telefonnummer ihrer Wohnung gegeben, und ich hab auch sicherheitshalber dort angerufen, als Professor Konrad den Saal verlassen hat. Ich konnte ihn ja schlecht fragen, ob er die Absicht hat, Frau Ruhland gleich zu besuchen.»
Wieder nur fürs Protokoll: Wann genau habe sie telefoniert?
«Danach, also kurz nach zehn. Ich hab's extra lang läuten lassen – es hat aber niemand abgehoben.»
«Weiß Herr Prestl, daß Sie ihn wegen Professor Konrad telefonisch bei Frau Ruhland zu erreichen versucht haben?» fragte Glaser.
«Ja, mit Sicherheit.»
Laubmann überlegte: «Das hat er uns nicht mitgeteilt.» «Als ich ihn nach dem Vortrag im Foyer getroffen hab, hab ich ihm das sofort gesagt», erklärte Sibylle Schmidt. «Um welche Uhrzeit war das?» wollte der Kommissar wissen. «Das wird gut Viertel nach elf gewesen sein; am Ende der Diskussion.» «Hat Herr Prestl da abgehetzt ausgesehen?»
«Nein, nur ein bißchen verfroren.» Sie lächelte. «Verfroren oder unverfroren, das ist hier die Frage», bemerkte Laubmann, aber nicht fürs Protokoll. Sie habe Herrn Prestl, wie es ihr «Auftrag» gewesen sei, zudem berichtet, wann Professor Konrad den Vorlesungssaal verlassen habe; sie habe jedoch nicht nachprüfen können, ob er sich oben oder außer Haus aufhielt. Berthold – Dr. Prestl – meinte ja, daß er bei seiner Ankunft im Innenhof kein Licht im Zimmer Konrads gesehen habe. Doch in diesem Moment sei der Professor in Begleitung Hanauers die Treppe heruntergekommen, und Berthold und sie hätten sich schleunigst verzogen, um ihm nicht zu begegnen. «Haben Sie uns eigentlich damals in der Bibliothek sprechen hören», wagte Philipp Laubmann zu fragen, «Konrad und mich?»
Sibylle Schmidt wies eine derartige Unterstellung entrüstet zurück: «Ich lausche niemals!»
XXI
Sie fuhren in einem zivilen Einsatzfahrzeug. Allerdings in keinem Neuwagen. Die zivilen Einsatzfahrzeuge der Polizei werden von Zeit zu Zeit unter den Polizeibezirken ausgetauscht, weil sie in den jeweiligen Bezirken im Laufe der Zeit bekannt sind und der Tarneffekt deshalb dahin ist. Ernst Lürmann hatte das Steuer fest im Griff und Vergnügen daran. Ihr Weg führte sie aus dem Hinterhof der Theologischen Fakultät heraus – wobei sie befürchtet hatten, Hausmeister Kappas hätte während der Vernehmung Prestls das Tor in der Durchfahrt zugesperrt – und durch eine der eng gewundenen Altstadtstraßen sowie an der Institutskirche der Englischen Fräulein vorbei zum Holzmarkt. Danach nahm sie der innerstädtische Ring auf, wo sich von Ampelanlage zu Ampelanlage jeweils ein Rückstau bildete. Glaser saß neben Lürmann; Laubmann saß im Fond:
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