Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
nicht so genau. Theologieprofessoren seien in der Mehrheit zwar Priester, das sei richtig, aber keine Priester in der Seelsorge, freilich nicht ohne Haushalt. Ein Theologieprofessor, der ihm zu Auskunftszwecken vermittelt worden war, meinte, daß die übliche soziale Regelung auch für Haushälterinnen priesterlicher Professoren gälte, obwohl er dies nicht bestätigen könne, weil er selber gar keine Haushälterin habe. Er empfahl mir jedoch, einen Bekannten von ihm anzurufen, einen freundlichen Professor für Kirchenrecht, der mir definitiv versichern konnte, daß Theologieprofessoren an staatlichen Universitäten trotz ihres Priestertums ihre Haushälterinnen selbst und allein zu bezahlen haben, weil diese eben keine Pfarrhaushälterinnen sind.»
«Das letzte trifft auf Konrad zu und bedeutet, Frau Steinig ist von ihrem Professor finanziell abhängig. Wäre das nicht ein Motiv für sie?» Der Kommissar richtete seine Frage an Laubmann.
«Im Prinzip: ja; aber Sie übersehen, daß er ihr nur eine halbe Stelle bezahlt. Ansonsten hat sie ihr Auskommen durch die Universität.»
XXII
Rose Laubmann ärgerte sich. Stakend ging sie über dieses fürchterliche Kopfsteinpflaster, das man in der «Grube» noch immer nicht repariert hatte. Und durch den – in ihren Augen – «schönen Asphalt» wurde es gleich gar nicht ersetzt, weder hier noch in anderen Straßen der Stadt, obwohl sie bei der Stadtverwaltung mehrere Beschwerdebriefe eingereicht hatte. Viele andere waren nicht ihrer Meinung, das wußte sie. Und trotzdem. Denkmalschutz hin oder her – man muß ordentlich laufen können! In dieser Angelegenheit konnte sie stundenlang mit ihrem Sohn Philipp streiten.
Heute war sie in seinem Auftrag unterwegs, und das nicht ungern. Sie sollte in das kleine Lebensmittelgeschäft der Frau Erna Ferdl gehen, einer «Institution», und mit ihr ein wenig plaudern; «unter Geschäftsfrauen» sozusagen, denn als solche fühlte sich Rose Laubmann mit ihrem ererbten Anteil am Wollgeschäft nach wie vor.
Der Auftrag war nicht ganz harmlos. Der Laden befand sich nämlich genau gegenüber der Wohnung Professor Konrads. Vielleicht hatte Frau Ferdl als neugierige Verkäuferin und allgegenwärtige sowie allwissende Eigentümerin ihres Geschäfts in den vergangenen Tagen etwas vernommen oder in der «Mordnacht» etwas beobachtet. Ihre Wohnung lag ja direkt über dem Geschäft. Keine Befragung durch die Polizei könnte das alles herausbekommen, das Atmosphärische und die vielen Geschichten drumherum, die fürs offizielle Protokoll nicht geeignet scheinen.
Rose Laubmann öffnete die Tür, eine uralte Klingel ertönte sogleich, Frau Ferdl war zugegen, man begrüßte sich herzlich. Und schon hatten sie ein Thema: das Kopfsteinpflaster. Auch die Ladenbesitzerin liebte das Pflaster nicht, war sie doch um einiges korpulenter als Frau Laubmann. Und nicht zuletzt der Kundschaft wegen, hauptsächlich ältere Herrschaften, die so nur schwerlich zu ihrem Laden gelangen konnten. Für die Bewohner des unweit gelegenen und erst kürzlich modernisierten Senioren-Wohnstiftes nahm die Geschäftsfrau zudem ein- bis zweimal in der Woche Bestellungen entgegen. Das hielt den Laden über Wasser. Das Gehen war Erna Ferdls Sache nicht, aber innerhalb ihres kleinen Geschäfts war das kein Problem. Die rosige Gesichtsfarbe ließ sie herzlich wirken, selbst wenn sie sich aufregte. Ihre ergrauten Haare mit einigen braunen Strähnen waren zu einem praktischen Knoten zusammengebunden. Ihre rustikal-bunte Küchenschürze paßte zu der geradezu familiären Atmosphäre. Darunter hatte sie ein ausgebleichtes Kleid an.
Dieser Laden mit seiner begrenzten, freilich gut sortierten Auswahl an Lebensmitteln und Haushaltsgegenständen war das Informationszentrum des Viertels. Und was sich unmittelbar vor dem Laden auf der Straße zutrug, wurde von der Inhaberin nicht nur zu den Geschäftszeiten höchstpersönlich kontrolliert. Alsbald kam sie auf das bedeutendste Ereignis der letzten Zeit zu sprechen, nämlich die Sache mit dem schrecklichen Unfall und dem Theologieprofessor. «Haben Sie nichts davon gehört? Ich sag Ihnen …» Rose Laubmann gab sich uninformiert. «Sie wissen ja, mein Sohn ist auch Theologe, aber von der Universität erzählt er so selten einmal etwas Spannendes.»
Mit Wonne stürzte sich die Ladeninhaberin nun in die Geschichte von der Geliebten – «soviel man weiß» – und dem nicht geheueren Todesfall. «Außerdem forscht die Polizei schon nach, ob's
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