Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
neuen Ansatzpunkt: «Möchten Sie heiraten, Sie beide?»
«Warum eigentlich nicht?» gab Berthold Prestl zu. «Wir tragen uns schon mit dem Gedanken.»
«Wann haben Sie Franziska Ruhland zum letzten Mal gesehen?»
«Eine ganze Weile nicht mehr vor ihrem Tod.» «Wie und wann haben Sie von ihrem Tod erfahren?» «So in den Tagen danach, denke ich, durchs Hörensagen hier in der Universität und durch Zeitungen.» «Hat Sie ihr Tod nicht näher berührt?» «Doch, schmerzlich sogar.»
«Und Sie hatten überhaupt keinen Kontakt mehr zu ihr?» «Gut, vielleicht haben wir mal telefoniert.»
«Aber, Herr Dr. Prestl, als Sie sich überlegt haben, eine andere Frau zu heiraten, wollten Sie sich da nicht noch ein mal mit Frau Ruhland treffen?»
«Warum sollte ich?»
«Etwa, um sich auszusprechen, damit Sie sicher sein konnten, daß sie Ihren Bestrebungen nicht im Wege steht.» «Was sollte es da noch zu besprechen geben?»
«Das müssen Sie uns erläutern», hielt ihm Kommissar Glaser entgegen. «Möglicherweise fällt es Ihnen leichter, wenn ich Sie davon in Kenntnis setze, daß wir eine Wohnungsdurchsuchung bei der Toten durchgeführt haben.» Prestl holte nervös ein sauber gefaltetes Taschentuch aus der Innentasche seines Jacketts. «Geht denn das so einfach?»
Glaser blickte Lürmann an: «Klären Sie das auf.» Ernst Lürmann erhob sich, was er als rhetorische Geste verstand. «Wohnungsdurchsuchungen bei bereits getöteten Opfern, wobei zum Beispiel Einsicht in Schriftstücke genommen werden kann, sind rechtlich unter der Bedingung zulässig, daß ein Verwandter oder eine Verwandte des Opfers oder, wenn kein Verwandter oder keine Verwandte verfügbar sein sollten, ein Vertreter oder eine Vertreterin der politischen Gemeinde als unabhängige Person die Wohnung zusammen mit der Polizei betritt. – Mehrere Verwandte, en bloc, gehen vermutlich auch.»
Laubmann war beeindruckt, daß Lürmann den komplizierten Text, ohne zu stocken, vorgetragen hatte.
«Der Haus- beziehungsweise Wohnungsschlüssel war in der Handtasche der Toten … der Haus- beziehungsweise Wohnungsschlüssel der Toten in der Handtasche der Toten», fügte Lürmann hinzu und spürte, daß er sich nun doch in seiner Akkuratesse verfangen hatte.
«Dann darf ich wohl fortfahren», stellte der Kommissar mit Nachdruck fest. «Unsere Wohnungsdurchsuchung hat nämlich ein wertvolles Indiz zutage gefördert – und zwar in bezug auf Ihre Person.» Er konzentrierte sich wieder auf Berthold Prestl. «Uns ist bei Frau Ruhland ein Kalender in die Hände gefallen, in dem wir unter dem 22. Oktober, ihrem Todestag, die Initialen ‹B.P.› entdeckt haben sowie den Vermerk ‹ 21 Uhr ›. Diese Eintragungen waren zwar kräftig durchgestrichen, ich würde sogar meinen: energisch durchgestrichen, aber sie waren noch mit bloßem Auge erkennbar. Die kriminaltechnische Untersuchung wird da ein übriges tun. – Was, bitte, war am 22. um 21 Uhr?» Prestl überlegte nicht viel. «Na schön, Sie haben recht.» Er fühlte sich überführt. «Ich war mit ihr verabredet, schon seit eineinhalb Wochen. Wir haben uns überlegt, daß wir uns bei ihr zu Haus treffen, um uns endgültig und einvernehmlich auszusprechen, auch wenn wir uns, ich betone das, sonst nicht mehr viel zu sagen hatten.»
«Und das ausgerechnet am Abend ihres Todes. Was für ein Zufall.»
«Überhaupt kein Zufall. Ich kenne den Veranstaltungskalender der Universität in- und auswendig, und daß Konrad an diesem Abend einen Vortrag zu leiten hatte, stand seit Monaten fest. Franziska war zu der Zeit also allein – so haben wir uns das zumindest vorgestellt; ich habe sie ja nicht getroffen. Ich glaube, daß sie Konrad nichts von unserer Verabredung erzählt hat. Er war nämlich der Eifersüchtige, nicht ich. – Es könnte natürlich sein, daß sie ihm doch was gesagt hat. Dazu müßten Sie ihn befragen.» «Sie hätten jedenfalls seine Abwesenheit ausgenutzt?» «Was heißt hier ‹ausgenutzt›? Mir ging's ausschließlich um meine Heirat mit Sibylle.» «Wo war Ihre Sibylle an diesem Abend?»
«In dem Vortrag. Sie werden doch nicht denken, daß sie zusammen mit mir … also, mit zu Franziska gehen wollte. Sie können mit Sicherheit Zeugen finden, die sie beim Vortrag gesehen haben.»
«Das heißt andererseits, Sie waren allein. Dann beantworten Sie mir bitte, wie Ihr Abend verlaufen ist, mit oder ohne Franziska Ruhland; zumindest bis zum Zeitpunkt ihres Todes.» Dem Kommissar kam Prestl so vor wie
Weitere Kostenlose Bücher