Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
religiös-fundamentalistischen Strukturen? Die Mechanismen scheinen mir ähnlich. Besonders wenn Geld die rücksichtslose Durchsetzung eigener Interessen ermöglicht, wenn sich einige gar als auserwählt betrachten und zu Allmachtsphantasien neigen.»
«Jedenfalls ein Paradies für Urheber anonymer Briefe», sinnierte der Kommissar.
«Das hat wohl aufgehört. Ich hab Professor Konrad noch einmal darauf angesprochen. ‹ Das hat aufgehört›, hat er mir zwischen Tür und Angel mitgeteilt; sehr abweisend. Entweder er verschließt sich mir gegenüber komplett, denn er läßt kein Gespräch mehr zu, oder Hüttenberger war der einzige Briefeschreiber.»
Endlich am Parkplatz angelangt, fühlte sich Philipp Laubmann erschöpft. Er schwitzte wie so oft, was wieder eines seiner überdimensionalen weißen Taschentücher zum Einsatz brachte. Als er damit über Stirn und Hals wischte, mochte es von der Pförtnerloge her so ausgesehen haben, als winke er zum Abschied.
XXV
Glaser hatte ursprünglich mitgehen wollen. Aber Laubmann beschrieb Haltung und Charakter Melitta Steinigs, der Haushälterin und entfernten Verwandten von Professor Konrad, als sehr«diskret und zurückhaltend», so daß sie bei Anwesenheit der Polizei nur verschreckt reagieren würde. Und dann seien die wesentlichen Informationen nicht mehr aus ihr herauszubekommen. Außerdem sei sie eher Zeugin als Verdächtige. Letzteres wollte Glaser mal dahingestellt sein lassen, vermutete jedoch, daß sie ihn wahrscheinlich nicht als sehr vertrauenswürdig erachtete. Die polizeiliche Vernehmung müsse trotzdem nachgeholt werden, vor allem wenn sie Laubmann sachdienliche Hinweise geben würde. Glaser bestand auf genauen Zeitangaben. Im übrigen hielt er sich Konrad und dessen Diskretionsbedürfnis gegenüber für zu nachgiebig.
So ging Philipp also noch einmal allein zur Wohnung Erich Konrads und Melitta Steinigs. Diesmal nahm er zur Abwechslung den Weg durch das Mühlenviertel und oben an der evangelischen Kirche St. Stephan vorbei, die in ihren Ursprüngen bis auf das Kaiserpaar Heinrich und Kunigunde zurückreichte und deren erster Bau im April 1020 gar in Anwesenheit Papst Benedikts VIII. und nicht weniger als 72 Bischöfen eingeweiht worden war.
Als er läutete, öffnete Konrad selbst. Er sah Laubmann nur kurz an und beeilte sich zu sagen, er sei auf dem Sprung, da er seine Sprechstunde an der Universität abzuhalten habe.
«Macht nichts», antwortete Philipp Laubmann gleichmütig, «ich wollt sowieso mit Ihrer Haushälterin allein sprechen.» Das gefiel Konrad nicht sonderlich. «Wollen Sie wieder Unbeteiligte über mich ausfragen?» Es störte ihn, wie Laubmann in dem Fall vorging. Er ahnte längst, daß der Kollege nicht bedingungslos zu ihm hielt. Er spürte eine Abkühlung in ihrem Verhältnis zueinander. Konrad machte sich Vorwürfe, daß er Laubmann überhaupt jemals vertraut hatte. Auch Laubmann war klar, daß sich das Verhältnis zu Konrad nicht als Freundschaft bezeichnen ließ. Er war eben vor allem der Wahrheit verpflichtet. Ein «Moralapostel», wie ihn Konrad heimlich nannte.
Ohne auf eine Antwort Laubmanns zu warten, schickte Konrad sich an wegzugehen, seiner Haushälterin noch: «Da ist ein Herr für dich!» zurufend.
Sie kam aber bereits zur Haustür geeilt, um dem Professor einen schwarzen Wollschal nachzureichen, weil er so erkältungsanfällig sei. Vor dem Kollegen paßte ihm das gar nicht.
Melitta Steinig begrüßte Dr. Laubmann mit fragendem Blick. Sie trug ein schlichtes, jedoch nicht unelegantes dunkelblaues Kleid, und Philipp fielen zum ersten Mal ihre weiblichen Formen auf. Sie führte ihn ins rückwärtige, auf der linken Seite der Wohnung gelegene sogenannte Herrenzimmer. Dort bat sie ihn, in einem breiten Ledersessel, den nicht einmal Glöcklein hätte ausfüllen können, Platz zu nehmen. Daraufhin begab sie sich, wie gewohnt, in die Küche, um den Tee zuzubereiten.
Philipp sah sich um. Dieses Herrenzimmer spiegelte eher die Atmosphäre eines biederen englischen Clubs wider: Fast erdrückend große Polstermöbel gruppierten sich zu einer Sitzreihe in der Mitte des Raums und umschlossen einen etwas zu klein geratenen Couchtisch. Den Schreibtisch hatte Melitta Steinig nach einem ernsthaften Streit mit dem Professor aus diesem Zimmer verbannt, und so mußte Konrad, wollte er was schreiben, in sein kleineres Arbeitszimmer ausweichen. Das paßte dem Professor zwar nicht, aber das repräsentative Herrenzimmer sollte nach Steinigs
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