Laubmann 2 - Bärenzwinger
läßt sich leicht aufklären. Akademiker sind nämlich nicht immer die Ordentlichsten.» Sie schaute ausgerechnet zu Laubmann, der erneut verlegen wurde. «Selbst Professoren verstreuen ihre Arbeitspapiere und Tagungsunterlagen auf ihren Plätzen, wie es ihnen beliebt, lassen sie sogar irgendwo anders im Haus einfach liegen, um sie bald danach aufgeregt zu suchen. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, in längeren Sitzungspausen durch die Reihen zu gehen und die losen Blätter auf den Tischen zusammenzuschieben oder Trinkgläser auszuwechseln, Tischplatten von Kuchenkrümeln zu säubern und ähnliches. Das war am Sonntag nachmittag nicht anders, als die Tagungsgäste an der Burgführung teilnahmen und der Konferenzsaal leer war. Sie hatten bei der Vorbesprechung ihre Unterlagen bereits in Benutzung und sie liegenlassen, wie ich’s beschrieben habe.»
«Was wollen Sie uns damit beweisen? Daß die von Forster vermißten Unterlagen im Konferenzsaal waren, was letztlich zumindest für den Zeitpunkt des Mordes nicht zutrifft? Oder wollen Sie nur verschleiern, daß Sie selbst die besagten Unterlagen ins Besprechungszimmer gebracht haben?»
«Sie waren mit Sicherheit an Professor Forsters Platz im Konferenzsaal; denn wären sie im Besprechungszimmer gewesen, in dem ich ebenfalls nach dem Rechten gesehen habe, hätte ich sie an seinen Platz im Konferenzsaal gelegt oder ich hätte sie mit zur Rezeption genommen und mich erkundigt, wem sie gehören. Das mache ich so, wenn kein Name draufsteht. Wir wollen vermeiden, daß im Haus etwas verlorengeht.»
«Mit anderen Worten», kommentierte Laubmann, «die späterhin vermißten Unterlagen sind Ihrer Ansicht nach erst am Abend ins Besprechungszimmer gelangt.»
«Egal wann», sagte Glaser, «es entlastet Frau Merten nicht.»
«Aber warum hätte ich das tun sollen, die Unterlagen ins Besprechungszimmer bringen?» widersprach sie.
«Weil Sie Alfonso Forster in den sogenannten ‹Bärenzwinger› locken wollten.»
«Das trifft genausogut auf sonst irgend jemand zu.»
‹Womit sie recht hat›, dachte Lürmann.
Auch Glaser mußte sich das eingestehen und beendete ihre Befragung.
Als letzte der Familie wurde Sophia Merten in Lürmanns Zimmer gebeten; alleine, wie die anderen zuvor. Sie wirkte weniger souverän und konnte nicht im geringsten einschätzen, was die Polizei noch von ihr zu erfahren gedachte.
Glasers Stimme klang so ansatzlos, als hätte er das Fragenstellen für keinen Augenblick unterbrochen. «Wir haben Sie schon einmal gefragt, wo Sie sich am vergangenen Sonntag zwischen 20 Uhr und 22 Uhr 30 aufgehalten haben.» Er hatte erneut die Mitschriften zu Rate gezogen. «Sie haben Küche und Wohnung als Aufenthaltsorte angegeben. Möchten Sie bei dieser Aussage bleiben?»
«Ja.» Sie nickte mehrfach.
«Ich muß Ihnen mitteilen, daß wir Ihre Finger- und Handabdrücke, und zwar ausschließlich Ihre, auf der Tatwaffe festgestellt haben. Wie stehen Sie dazu?»
Sophia Merten sah entgeistert von einem zum anderen, aber keiner erläuterte die Frage. Ihr gegenüber Männern gerne zur Schau getragener erotischer Charme war verschwunden. Sie wußte von ihrem Mann und ihrer Tochter, daß mit der Tatwaffe der Kerzenständer gemeint war. Doch die konnten ihr hier nicht helfen. Sie überlegte angestrengt; und beinahe übergangslos verwandelte sich ihr fassungsloser Gesichtsausdruck in einen erleichterten. «Jetzt weiß ich, was Sie meinen: Ich putze und poliere das Messing ab und zu; meist, bevor eine Tagung beginnt.»
Glaser wartete einen Moment, wenn auch vergeblich, auf einen Nachsatz. «Wieder so eine verdammt einfache Antwort. Als wären die Antworten untereinander abgesprochen.» Er holte Luft. «Ich hätte gute Lust, Sie festzunehmen, Frau Merten!» Nicht zum ersten Mal war er an diesem Punkt angelangt.
Die Frau des Kastellans erschrak. Sie machte einen geradezu aufgelösten Eindruck. An so etwas hatte sie nie gedacht, es sich nie vorstellen können.
Philipp Laubmann rang mit seinem Gewissen. Würde er in dieser Minute auch nur andeuten, was er von Gisela Merten erfahren hatte, daß also Sophia Merten als junge Frau mit Alfonso Forster eine Liebesbeziehung eingegangen war, Glaser würde sie tatsächlich in Polizeigewahrsam nehmen. Nein, Öl ins Feuer gießen wollte er nicht, obwohl er sich der Tragweite seines Schweigens bewußt war. – Und wie würde Gisela Merten reagieren? Sie würde ihn glatt zum Verräter abstempeln. Da erschien es ihm doch vernünftiger, ihr
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