Laubmann 2 - Bärenzwinger
Land zu unternehmen, verbunden mit dem Besuch von größeren oder kleineren Sehenswürdigkeiten. Anfangs hatte er den Akzent auf Kirchen und Klöster gesetzt, dann hatte sich sein Interesse Richtung Burgen, Burgruinen und Schlösser verlagert, um sich schließlich an solche Landschaftselemente zu heften, bei denen Natur und Kultur eng aufeinander bezogen waren, wie zum Beispiel in verwunschenen Parkanlagen. Sakrale Akzente galten ihm nur mehr als vertiefende Dreingaben.
Ziel der heutigen Landpartie in polizeilicher «Mission» waren die Haßberge, ein Mittelgebirgswald im Nord westen Bambergs. Sie hatten sich bei dem Ehepaar Karla und Eugen Oberhauser angemeldet, bei dem Alfonso Forster während seines Aufenthalts in Franken hauptsächlich logiert hatte. Die Adresse hatte der Professor selbst an der Rezeption hinterlegt.
Obgleich sie wegen der Verdächtigungen gegen sie und ihre Angehörigen nicht mehr gut auf Glaser zu sprechen war, hatte Gisela Merten ihn auf Forsters Freunde aufmerksam gemacht. Diese hatten den Professor telefonisch nicht erreicht und deshalb bei der Rezeption angerufen. So hatten sie von Gisela Merten erfahren, daß Alfonso Forster tot war.
Zu Laubmanns Bedauern hatten die Kommissare keine Augen für die Kleinodien am Rande der Strecke, nicht für die gotischen Bildstöcke und nicht für die Wasser- und Waldschlösser. Er hätte ihnen einiges dazu erzählen können. Ernst Lürmann mußte sich zudem auf die kurvenreichen Straßen in den Haßbergen konzentrieren. In manchen der engen Kehren faßten Glaser und Laubmann instinktiv nach den Haltegriffen.
‹Auf dem Rückweg übernehm ich das Steuer›, dachte Dietmar Glaser.
«Wenn wir da vorne rechts einen kleinen Umweg fahren, gelangen wir zum ‹Hohlen Stein›», versuchte Laubmann anzuregen. «Das ist eine Waldhöhle, in der ein Einsiedler gelebt haben soll. Der Fels ist über und über bemoost und von hohen Bäumen umstanden.»
«An einen Umweg ist überhaupt nicht zu denken. Das ist keine Vergnügungsfahrt!» Glaser erschien der Vorschlag absurd. Seine Überlegungen richteten sich auf das Leben und das Umfeld des Ermordeten. «War Forster Ihrer Ansicht nach ein sogenannter Befreiungstheologe, also politisch aktiv?»
«Nicht direkt, vermute ich», gab Laubmann zur Antwort; «sofern ich die Ausführungen Alfonso Forsters in unserem Gespräch richtig interpretiere.» Die Kommissare ahnten, daß Laubmann längere Erklärungen parat hatte. «Die Theologie der Befreiung versucht, grob gesagt, die Botschaft Jesu als Aufruf zur Befreiung aus der sozialen Unterdrückung darzustellen. Die Amtskirche in Rom hält diese Theologie, wie sie etwa der frühere Kollege Forsters, Leonardo Boff, lehrte, für zu politisch, zu links. Rom meint, Jesus verurteile zwar den irdischen Reichtum als Hindernis auf dem Weg zum Reich Gottes, er wolle aber nicht die Befreiung im Sinne einer Revolution.»
«Ich frage mich», unterbrach ihn Glaser, «ob wir ein politisches Motiv für die Tat ausschließen können. Nicht, daß ich die Kirche verdächtigen möchte, aber wer garantiert uns, daß nicht subversive politische Zirkel ein Interesse am Tod Forsters haben? Unter diesen Voraussetzungen wäre das allerdings nicht mehr unsere Angelegenheit. Dann wären übergeordnete Stellen am Zuge.»
«Nein, Forster war weder ein eifriger Verfechter noch ein großer Gegner der Befreiungstheologie. Er war einfach als Theologe hoch geschätzt.»
Sie erreichten den ehemaligen Gutshof, in dem das Ehepaar Oberhauser neben anderen Familien lebte. Eine Gaststätte warb auf einem Schild, daß hier fränkisch gekocht würde, mit «viel frischem Grün». Er könne auch mal ein Essen für seine Bekannten kochen, an dem alles grün sei, erwog Laubmann. Auf Frische achtete er anläßlich solcher Einladungen jedoch nicht.
Bei dem Hof handelte es sich um ein altes Fachwerkhaus mit einer verbliebenen herkömmlichen Scheune auf der einen und einem größeren modernen Gebäude auf der anderen Seite. Man sah sofort, daß der Architekt des modernen Hauses einen künstlerisch progressiven Stil verwirklicht hatte: Alles war aus Stahl, Beton oder Glas. Das Idyll beschränkte sich somit auf das Fachwerkhaus. Die Bewohner des modernen Gebäudes konnten durch die Glasflächen auf das historische Haus schauen wie auf eine Bühne der Vergangenheit. Den Vorzug hatten die Freunde Forsters als Bewohner des Fachwerkhauses nicht.
Nachdem Glaser, Lürmann und Laubmann ausgestiegen waren, wurden sie sogleich
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