Laubmann 2 - Bärenzwinger
aussichtslos. So etwas war ihm in Heidelberg noch nie passiert. Speziell an Glöcklein und Hanauer gerichtet, fügte er hinzu: «Zölibatäre wie Sie verstehen sowieso nicht, worum es dem Herrn Kastellan geht.»
Philipp Laubmann hatte sich inzwischen wieder gefangen. «Daß sich Menschen wirklich verstehen, halte ich für eine Illusion. Aber Sie, Herr Professor Ippendorff, verstehen es sehr wohl, Menschen zu verletzen.»
Soll er sich verbal austoben, dachte Ippendorff. Bei passender Gelegenheit würde er noch jeden von ihnen drankriegen.
Barbara Burgerroth hingegen applaudierte Philipp Laubmann leise.
Prälat Albert Glöcklein klatschte richtig in die Hände: «Meine Dame, meine Herren, an die Arbeit!»
Die Versammlung löste sich auf. Glöcklein, Hanauer, Burgerroth, Röttinger, Grunde, Böhmer, Meister und Bach fanden sich erneut in ihren Arbeitsgruppen ein. Sogar Heinrich Ippendorff, der sich recht ungerührt gab und die Auseinandersetzung nur mehr wie eine vergangene Episode betrachtete. Glöcklein hatte für Bebenhausen einen Kaffee mitgenommen.
Hans Merten jedoch war schweigend und mit einer resignativen, abweisenden Handbewegung weggegangen, hinaus in den Burghof, ja er hatte in der Eingangshalle nicht einmal seine Frau beachtet, die mit einem unsicheren Blick auf ihn zugekommen war, vielleicht dankbar, vielleicht um Verzeihung bittend.
Laubmann entschuldigte sich vorsorglich bei Hanauer, weil er Hans Merten nachzugehen beabsichtigte und daher wiederholt eine Arbeitssitzung schwänzen mußte. Auch Hanauer vollführte eine resignative Handbewegung.
Draußen im Burghof, dessen scheinbare Leere bedrückend war, näherte sich Laubmann möglichst unaufdringlich dem Kastellan, der, obwohl hochgewachsen und hager, wie in sich versunken am Bärengehege stand.
«Das tut mir sehr leid für Sie.»
«Ach, machen Sie sich nichts draus.» Hans Merten holte tief Luft. «Ich bin’s gewohnt und selber schuld.»
«Warum sollten Sie schuld sein?»
«Ich hab Sophia nicht viel zu bieten. Die Lebensperspektive hier oben ist für sie so trist wie die Aussicht von der Burg bei Nebel.»
‹Der Spruch hätte von mir sein können›, fand Laubmann.
Hans Merten schaute ihn noch immer nicht an. «Daß sie irgendwas mit Ippendorff hatte, glaube ich gar nicht mal. Dazu ist sie dann doch wieder zu moralisch, meine Sophia.» Er lachte hämisch auf. «Daß sie freilich bei so manchen Herren, die ihr als was Besseres vorkommen, Eindruck schinden will durch ihr aufreizendes Getue, ist mir schon lange bekannt. Die meisten lassen sich sehr gern darauf ein.»
«Haben Sie mit Ihrer Frau darüber geredet?»
«Darüber läßt sie nicht mit sich reden. Ich will nicht einmal ausschließen, daß es ihr peinlich ist. Ich glaube auch nicht, daß sie sich von mir trennen würde. Das gemachte Nest behagt ihr schon. Einer wie dieser Ippendorff würde nie sein Leben mit ihr teilen wollen.»
Laubmann überlegte, ob Hans Merten von der früheren Affäre seiner Frau mit Alfonso Forster wußte, obwohl die Affäre vor seiner Ehe mit ihr lag. Merten erwähnte das jedenfalls nicht, und Laubmann mochte ihn nicht danach fragen, weil sich Gisela sonst von ihm hintergangen fühlen könnte. Selbst wenn er ein wenig von ihr enttäuscht war, so respektierte er doch ihr Vertrauen, das sie in ihn gesetzt hatte.
«Wurde von Ihnen oder Ihrer Frau mal die Scheidung erwogen?»
«Wo denken Sie hin! Soll ich meine Anstellung riskieren? Ich bin überzeugt, daß die Kirche eher irgendwelche Liebschaften meiner Frau dulden würde als unsere Scheidung.»
Philipp war klar, daß eine Scheidung nicht nur rein moraltheologisch ein Problem war.
Der Kastellan wurde ungeduldig. «Ich hab noch Arbeit vor mir.» Er wollte allerdings nicht unhöflich wirken und erklärte Laubmann deshalb: «Ich muß den Innenraum des Bärenzwingers säubern; der Tierarzt hat sich für nächste Woche angekündigt.»
«Darf ich Sie begleiten? Die Innenausstattung eines solchen Zwingers würde mich kolossal interessieren.»
Hans Merten hatte nichts dagegen. «Daran ist aber nichts Aufregendes, genausowenig wie an meiner Arbeit. Nur Routine.»
Sie gingen auf die Burgschmiede zu. Links daneben schloß Merten die Tür zu einem Vorraum des Bärenzwingers auf, der an die Burgschmiede angebaut war. Er machte das Licht an. Ein modern ausgestalteter, nüchterner Raum mit Betonwänden, circa zwanzig Quadratmeter groß und drei bis vier Meter hoch. Bereits das Türschloß und die Lichtanlage sahen
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