Laubmann 2 - Bärenzwinger
hätte ich die Ausleihe zwar vornehmen können, aber den hatte er nicht bei sich. Ich habe ihn dann gefragt, ob er an der Theologischen Fakultät jemanden kenne, woraufhin er Professor Hanauer genannt hat. Nach einer Rücksprache mit ihm konnte ich die Ausleihe für den Lehrstuhl vermerken und die Bücher ausgeben.»
«Und welche Titel entliehen wurden, steht noch im Computer?»
Die Bibliotheksangestellte kannte Dr. Laubmann lange genug und wußte, daß er mit der Kriminalpolizei zusammenarbeitete. Und weil Forster nun tot war, schien es ihr nicht mehr nötig, die Daten über seinen Bibliotheksbesuch vertraulich zu behandeln. In alphabetischer Reihenfolge las sie die Autoren und Buchtitel vom Bildschirm ab: «Da haben wir unter dem Ausleihdatum dritter Januar von einem Böhmer, Friedemann, die Dissertation Unfreiheit als Folge unbeschränkter Freiheit, dann von Fuchs, Ottmar, Zwischen Wahrhaftigkeit und Macht und Küng, Hans, Wahrhaftigkeit. Professor Forster hat gemeint, er benötige die Bücher für seinen Vortrag auf der Babenburg über Wahrheit und Wahrhaftigkeit. – Das ist ja sehr traurig ausgegangen.» Sibylle Schmidt schwieg für einen Moment.
«Die letzten beiden Titel sind noch ausgeliehen, mit dem Vermerk, daß die Kriminalpolizei sie vorläufig einbehalten hat. Das erste Buch, das von Friedemann Böhmer, ist wieder zurückgegeben worden, und zwar von Professor Forster selbst, soweit ich mich erinnere.»
Sie dachte angestrengt nach. «An dem Tag, als Herr Professor Forster die Bücher mitgenommen hat, hat sich zusätzlich jemand nach dem Buch ‹Unfreiheit als Folge unbeschränkter Freiheit› erkundigt. Er hat gesagt, er sei der Autor. Das muß dieser Friedemann Böhmer gewesen sein. Daraufhin habe ich ihm nicht ohne Stolz mitgeteilt, daß ich sein Buch gerade ausgeliehen hätte. Er hat dann angedeutet, er würde in Bibliotheken immer mal nachfragen, wie es seinen Werken ergehe. Das sei wie mit der Neugier der Autoren in Buchhandlungen.»
Laubmann widerstand dem Impuls, nach seiner eigenen Dissertation zu fragen. «Können Sie bitte noch nachschauen, ob von Professor Alfonso Forster der Titel ‹Freiheit und Freisein› im Katalog verzeichnet ist?»
Sibylle Schmidt suchte intensiv in den Dateien ihres Computers, aber es half nichts: Der Titel war nirgends zu finden, auch in keiner anderen Bibliothek. «Ich bedauere, das Buch gibt es nicht», sagte sie und war sich ihrer Sache vollkommen sicher.
Philipp Laubmann zückte nach dieser abschlägigen Auskunft seinen Bibliotheksausweis und erbat sich das Werk von Dr. Friedemann Böhmer, da es in der theologischen Bibliothek wieder verfügbar war. «Daß ich wenigstens etwas zu lesen habe.» Anschließend warf er einen Blick in den weitläufigen barocken Bibliothekssaal und verglich ihn für sich mit dem Bibliotheksraum auf der Burg.
***
Die Tochter des Kastellans drehte sich im Halbschlaf unruhig hin und her. Sie hatte sich früh schlafen gelegt, weil sie jeden Morgen als eine der ersten aufstehen mußte. Schon tagsüber und in der gestrigen Nacht war bei ihr ein Gefühl der Unruhe entstanden. Daß sie wahrscheinlich mit dem Mörder in der Burgbibliothek konfrontiert gewesen war, hatte sie verwundbar gemacht. Immerhin hatte sie am Telefon mit ihrem Verlobten darüber gesprochen, der zur Zeit in Südafrika weilte, hatte ihm aber nur knapp zusammengefaßt berichten können.
Entfernt hörte Gisela Merten, wie eine Tür ins Schloß fiel und wie jemand draußen auf dem Gang umherhuschte. Sie zog sich die Bettdecke über den Kopf. Um nichts in der Welt hätte sie nachsehen mögen, wer das war, ja sie wollte überhaupt nichts mehr wissen von dieser Welt da draußen. An die Existenz eines fürstbischöflichen Burggeistes hatte sie nie geglaubt. Das war ein hübsches Märchen für Gäste und Touristen. Obwohl, einem Burggeist wäre sie lieber begegnet als einem Mörder. Die Tür zu ihrem Apartment war Gott sei Dank fest verriegelt.
Daß drei Personen über eine der steinernen Kellertreppen hinab in die Gewölbe der Burg schlichen, vernahm Gisela Merten nicht mehr. Das war zu weit weg. Mit Hilfe ihrer Taschenlampen bahnten sie sich den Weg. Sie wollten niemanden wecken. Nicht aus Rücksicht freilich, sondern um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Deshalb wollten sie auch erst tiefer im Kellerinneren einen Lichtschalter suchen, damit kein Schimmer nach oben drang. Es ließ sich nicht vermeiden, daß einer von ihnen mit dem Arm gegen eine leere
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