Laubmann 2 - Bärenzwinger
Kaffee oder Tee zu trinken und miteinander zu plaudern. Allein Petrus von Bebenhausen war trotz Glöckleins Ermutigung in einem der Arbeitsräume verblieben. Christa Schanz-Haberberger war gar nicht anwesend, weil Ernst Lürmann sie zum Arzt gefahren hatte.
«Wenn ich an Professor Forster denke, kommt mir manchmal der Autor Georg Forster in den Sinn, obgleich der einer völlig anderen Epoche angehört und Reiseberichte geschrieben hat, ja weitaus revolutionärer gesinnt war als Alfonso Forster», gestand Laubmann der schönen Barbara aus Prag. «Die Assoziation unterläuft mir wohl nur der Namensgleichheit wegen.»
«Georg Forster hat James Cook bei dessen Weltumsegelung begleitet», gab die Professorin zum besten; «in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als ganz junger Mann.»
«Da wissen Sie besser Bescheid.»
«Mir fiel beim Stichwort ‹Petrópolis› der Schriftsteller Stefan Zweig ein. Auf seiner Flucht vor den Nazis war er zuerst nach England und später nach Brasilien emigriert. Im Februar 1942 haben seine Frau Lotte und er in Petrópolis Selbstmord begangen; aus Verzweiflung, weil der Krieg immer weiter um sich gegriffen hat. Sie sind in Petrópolis begraben.»
‹Sehen Sie›, wollte Philipp Laubmann gerade sagen, ‹da hätten Sie und Professor Forster doch ein gemeinsames Gesprächsthema gehabt›. Er kam aber nicht mehr dazu. Die Aufmerksamkeit der Anwesenden war nämlich auf eine Auseinandersetzung am Rande gelenkt worden, die zu einem lautstarken Streit eskalierte.
«Was heißt, ich soll Ihre Frau in Ruhe lassen?» kanzelte der Kunsthistoriker Heinrich Ippendorff den Kastellan ab. «Ich habe sie bisher kaum wahrgenommen.»
«Das kann doch jeder erkennen, daß Sie meiner Frau aufdringliche Blicke zuwerfen!» wehrte sich Hans Merten. Er war blaß geworden und zitterte vor Wut und Aufregung.
«Das bilden Sie sich ein, und Ihre Frau auch! Für wen halten Sie mich? Nein: Für wen halten Sie sich?»
«Ich bin nicht blind, und ich weiß, was ich gesehen habe!»
Kaum einer der Umstehenden war sich im ersten Moment so recht darüber im klaren, was vor sich ging.
«Der ‹Hengst des Campus›», raunte Barbara Burgerroth dem Kollegen Laubmann mit gehässigem Unterton zu. «Den Spottnamen hat sich der gute Ippendorff wahrhaftig verdient, weil er jeder Frau hinterhertrabt. Bei mir hat er’s vor langer Zeit auch mal probiert.»
Heinrich Ippendorff blickte zornig zu ihr hinüber, als hätte er ihre Worte verstanden. Überdies ärgerte ihn, daß sie sich mit diesem dicklichen Moraltheologen abgab.
Laubmann wollte ihn beschwichtigen und machte ein paar Schritte auf ihn zu.
«Mischen Sie sich bloß nicht ein!» bellte Ippendorff ihn an. «Sie glauben, Sie müßten hier auf der Burg Ihre fette Nase in alles reinstecken, Sie Besserwisser! Sie sollten sich mehr um Ihre wissenschaftliche Arbeit kümmern, sonst wird nie was aus Ihnen!»
Laubmann war sprachlos – was äußerst selten geschah.
Professor Raimund Hanauer, der sich auch an diesem Vormittag zur Tagung eingefunden hatte, und Prälat Albert Glöcklein traten verblüffenderweise aus dem Hintergrund hervor und stellten sich, nicht nur im übertragenen Sinn, vor Laubmann.
«Herr Professor Ippendorff», begann Glöcklein seine Ermahnung, «Dr. Laubmann bemüht sich nicht nur auf meinen Wunsch hin, sondern im Namen der Diözese uneigennützig um die Aufklärung des Mordfalls. Er hat sich also einzumischen! Und ich werde es nicht dulden, wenn ihn jemand daran zu hindern versucht!» Die kurze Ansprache des Prälaten hatte stetig an Heftigkeit zugenommen. «Nicht er ist es, der sich hier schlecht benimmt!»
Professor Hanauer ergriff sofort nach Albert Glöcklein das Wort: «Im übrigen, Herr Kollege Ippendorff, wenn jemand die wissenschaftliche Tätigkeit Dr. Laubmanns zu beurteilen hat, dann bin ich es als sein Vorgesetzter. Sie besitzen nicht die fachliche Kompetenz, ihn zu maßregeln. Ich halte Ihre Äußerung für ungebührlich.»
Ein dermaßen vehementes Auftreten hatte Glöcklein und Hanauer niemand zugetraut, nicht einmal Laubmann. Er war so überwältigt davon, wie sie ihn verteidigten, daß er den Verdruß, den er mit beiden immer wieder hatte, sogleich zu vergessen bereit war.
Heinrich Ippendorff hatte die Augenbrauen hochgezogen und eine betont verwunderte Miene aufgesetzt. «Einverstanden, Sie haben gewonnen», sagte er äußerst distanziert, als wäre er unbeteiligt. Sich mit vier Männern gleichzeitig anzulegen, erschien ihm
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