Lauf des Lebens
Bein, dann das andere, winkelte beide an und drückte die Knie in Richtung Kinn. Diese Bewegung wiederholte sie etliche Male. Ungefähr eine Viertelstunde ertrug er das Ganze schweigend, dann stemmte er sich plötzlich in Sitzposition und schubste sie weg.
„Schluss damit!“, schrie er mit verzerrter Miene. „Mein Gott, warum hören Sie nicht einfach auf mit dem Quatsch? Das ist reine Zeitverschwendung! Gehen Sie, und lassen Sie mich allein!“
Sie sah ihn verblüfft an. „Was meinen Sie mit Zeitverschwendung? Ich habe gerade erst begonnen. Haben Sie wirklich geglaubt, nach einer Stunde schon Fortschritte zu sehen?“
„Ich mag es nicht, wie ein Klumpen Spachtelmasse behandelt zu werden!“
Sie zuckte mit den Achseln und unterdrückte ein Lächeln. „Es ist sowieso schon fast halb acht. Ihr Frühstück ist gleich fertig. Ich weiß nicht, wie es mit Ihnen steht, aber ich habe Hunger.“
„Ich nicht“, sagte er, doch dann huschte ein Ausdruck des Erstaunens über sein Gesicht, und sie wusste, dass er gerade gemerkt hatte, dass er doc h hungrig war. Vielleicht zum ersten Mal seit Monaten. Sie half ihm beim Anziehen, obwohl ihre Hilfe seine Laune wieder verschlechterte. Als sie den extra für ihn eingebauten Fahrstuhl erreichten, war er so trotzig wie ein Kind.
Aber der Trotz verschwand, als er seinen Frühstücksteller sah. Dione, die ihn beobachtete, musste sich auf die Lippen beißen, um nicht laut loszuprusten. Auf Blakes Gesicht spiegelte sich erst blankes Entsetzen, dann Empörung. „Was ist das für ein Futter?“, polterte er.
„Oh, keine Sorge“, sagte sie beiläufig. „Das ist nicht alles. Sie bekommen danach noch etwas anderes. Aber fangen Sie erst mal damit an. Das sind Vitamine.“
Er starrte seinen Teller an, als wanden sich Schlangen darauf. Sie musste zugeben, dass die Menge beeindruckend war – Alberta hatte die Anweisungen strikt befolgt und exakt neunzehn Tabletten abgezählt.
„Die nehme ich nicht!“
„Und ob Sie die nehmen. Sie brauchen sie – nach ein paar Tagen Therapie sogar noch nötiger. Außerdem bekommen Sie erst dann etwas zu essen, wenn Sie die Pillen geschluckt haben.“
Er war kein guter Verlierer. Er nahm die Tabletten, schluckte immer mehrere auf einmal und spülte sie mit großen Schlucken Wasser hinunter. „So“, blaffte er, „ich habe den Mist geschluckt.“
„Danke“, sagte sie ernst.
Offensichtlich hatte Alberta mitgehört, denn sie kam just in diesem Augenblick mit den Frühstückstabletts herein. Er blickte auf seine halbe Grapefruit, seinen Vollkorntoast, die Eier, den Schinken und die Milch wie auf einen Napf Hundefutter. „Ich möchte eine Blaubeerwaffel“, sagte er.
„Tut mir leid“, entgegnete Dione, „die steht nicht auf Ihrem Diät-Speiseplan. Zu süß. Essen Sie Ihre Grapefruit.“
„Ich hasse Grapefruit.“
„Sie brauchen das Vitamin C.“
„Ich habe gerade eine Jahresration Vitamin C geschluckt!“
„Schauen Sie“, sagte sie sanft, „das hier ist Ihr Frühstück. Entweder essen Sie es, oder Sie lassen es bleiben. Eine Blaubeerwaffel bekommen Sie jedenfalls nicht.“
Er schleuderte ihr seinen Teller entgegen.
Sie hatte so etwas erwartet und sich rechtzeitig geduckt. Der Teller knallte gegen die Wand. Sie beugte sich über den Tisch und ließ das Lachen, das sie den ganzen Morgen immer wieder unterdrückt hatte, endlich herausplatzen. Seine Haare sträubten sich vor Wut. Er war bildschön! Seine kobaltblauen Augen funkelten wie geschliffene Saphire, sein Gesicht war gerötet.
So würdevoll wie eine Königin schritt Alberta mit einem weiteren Tablett aus der Küche herein und stellte es vor Blake auf den Tisch. „Dione hat mich vorgewarnt, dass Sie das erste womöglich wegwerfen würden“, sagte sie ohne die kleinste Regung in der Stimme.
Zu wissen, dass seine Reaktion exakt Diones Vorhersage entsprach, machte ihn noch wütender, doch jetzt war er gehemmt. Er wusste nicht mehr, wie er sich verhalten sollte, und hatte Angst, seiner Therapeutin mit jeder weiteren Reaktion neue Bestätigung zu liefern. Deshalb sagte er gar nichts. Schweigend und mit entschlossenen Bewegungen schob er sich das Essen in den Mund. Doch bei der Milch trotzte er erneut.
„Ich hasse Milch. Etwas Kaffee wird mir ja wohl nicht schaden!“
„Er schadet nicht, aber er hilft auch nicht. Lassen Sie uns einen Kompromiss machen“, bot sie an. „Sie trinken die Milch, weil Sie das Kalzium benötigen. Und danach können Sie einen Kaffee
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