Lauf des Lebens
dann wieder in seinen Job einsteigen und sie das Haus verlassen. Und Ende Januar würde sie die Behandlung ihres neuen Patienten beginnen.
Blake trieb sich jetzt, wo er das Ziel vor Augen hatte, noch härter an. Dione versuchte erst gar nicht mehr, seinen Übereifer zu bremsen. Sie schaute zu, wie er sich schwitzend die Barrenholme entlanghangelte und dabei wilde Flüche ausstieß – als Gegengift gegen den Schmerz und die Ermüdung. Und wenn er zu erschöpft war, um weiterzumachen, massierte sie ihn und setzte ihn in den Whirlpool. Auch seine nächtlichen Beinkrämpfe linderte sie mit Massagen. Und seine Diät überwachte sie noch strenger als zuvor, denn sie wusste, wie dringend er im jetzigen Stadium zusätzliche Nährstoffe brauchte. Doch alle Schmerzen und Einschränkungen schienen Blake kaum zu berühren – unbeirrt kämpfte er sich auf der Zielgeraden voran.
Und schließlich war der Moment gekommen, in dem er den Rollstuhl verlassen konnte. Dione beschaffte ihm einen Gehwagen, ein vierrädriges Stützgestell, das ihm beim Laufen die nötige Stabilität gab. Blakes Freude über den erweiterten Radius, den er auf eigenen Beinen bewältigen konnte, war so groß, dass er das langsame Tempo und die verspannten Muskeln bereitwillig erduldete.
Darauf, dass Serena plötzlich dem gemeinsamen Abendessen fernblieb, reagierte Blake mit keinem Wort und Alberta damit, dass sie einfach nur noch für zwei Personen kochte und deckte. Auch die üppigen Mahlzeiten stellte sie ein und kochte stattdessen kleine, leichte Gerichte. Dafür stellte sie immer öfter Kerzen und einen Weindekantierer auf den Tisch. Die intime Atmosphäre bei Tisch war eine weitere Qual für Dione, doch sie ertrug sie ebenso, wie Blake die Qualen seines Trainings aushielt. Schließlich war es die letzte gemeinsame Zeit – und die rann Dione ohnehin so schnell durch die Finger, dass es ihr vorkam, als würde sie einen Schatten zu greifen versuchen.
An Thanksgiving waren sie zum Dinner zu Serena und Richard eingeladen, und Dione chauffierte sie mit dem Auto dorthin. Seit dem Transfer vom Krankenhaus nach Hause war Blake nicht mehr außerhalb seines Gartens unterwegs gewesen. Er saß wie versteinert und angespannt bis in die Fingerspitzen auf dem Beifahrersitz, weil er versuchte, die vielen Eindrücke mit allen Sinnen gleichzeitig aufzunehmen. Scottsdale hatte sich in den zwei Jahren verändert, vor allem die Autos und die Kleidung. Aber vielleicht, dachte Dione, findet Blake ja sogar den Wüstenhimmel blauer und die Sonne strahlender als früher.
„Wann werde ich wieder selbst fahren können?“, wollte er plötzlich wissen.
„Bald. Wenn deine Reflexe schnell genug sind“, versprach sie. Aber sie war mit ihren Gedanken nicht bei ihm, sondern beim Verkehr, denn sie fuhr nur selten Auto und musste sich konzentrieren. Umso mehr schreckte sie zusammen, als er plötzlich seine Hand auf ihr Knie legte, sie unter ihr Kleid gleiten ließ und ihr den Oberschenkel streichelte.
„Nächste Woche fangen wir mit dem Üben an“, sagte er. „Wir fahren raus in die Wüste, weit weg vom Verkehr.“
„Ja, fein“, antwortete sie. Ihre Stimme verriet die Anspannung, die Blakes warme Hand auf ihrem Bein auslöste. Zwar war sie es gewöhnt, dass er sie während des Trainings anfasste und küsste, aber da sie heute ein Kleid trug, wirkten seine Berührungen noch intimer als sonst.
Ein Lächeln trat auf seine Lippen. „Ich mag das Kleid“, sagte er.
Sie warf ihm einen gequälten Blick zu. Offenbar mochte er jedes ihrer Kleider. Und er war ein absoluter Bein-Fetischist. Er rückte näher und neigte seinen Kopf zu ihr hinüber, um das Parfüm zu schnuppern, das sie zur Feier des Tages aufgelegt hatte. Sein warmer Atem strich zart über ihr Schlüsselbein, bevor sich seine Lippen in die sanfte Vertiefung zwischen Hals und Schulter drückten. Gleichzeitig glitt seine Hand weiter nach oben. Das Auto schlingerte gefährlich, dann hatte Dione es wieder unter Kontrolle.
„Hör auf damit!“, schrie sie und bemühte sich vergeblich, seine Hand wegzuschieben.„Du machst mich nervös! Ich bin keine so sichere Fahrerin!“
„Dann nimm doch bitte beide Hände ans Steuer“, riet er ihr lachend. „Im Übrigen sitze ich im selben Auto wie du. Auch mir ist daran gelegen, dass du keinen Unfall baust.“
„Du Mistkerl!“, tobte sie, als seine Finger die Wanderung über ihren Schenkel fortsetzten. „Verdammt Blake, hör auf! Ich bin keine Puppe, mit der du
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