Lauf des Lebens
herumspielen kannst.“
„Ich spiele nicht“, murmelte er. Seine Finger kreisten weiter nach oben.
Verzweifelt ließ Dione das Steuer los und griff mit beiden Händen nach seinem Handgelenk. Das Auto scherte seitwärts aus. Fluchend nahm er endlich seine Hand weg, griff nach dem Steuer und brachte den Wagen wieder in die Straßenmitte.
„Vielleicht sollte ich jetzt gleich mit dem Fahren beginnen“, keuchte er.
„Du gehst gleich erst mal zu Fuß weiter!“, schrie sie mit feuerrotem Gesicht.
Er warf seinen Kopf zurück und lachte. „Du glaubst ja nicht, wie gut das klingt! Es würde eine Weile dauern, aber ich würde es schaffen. Mein Gott, ich fühle mich endlich wieder wie ein Mensch!“
Plötzlich wurde ihr klar, dass er in absoluter Hochstimmung war, weil er sich wieder fit fühlte und endlich etwas anderes sah als die eigenen vier Wände. Er war geradezu im Freudentaumel, berauscht von seiner neu entdeckten Freiheit, überglücklich, das Gefängnis des eigenen Körpers endlich verlassen zu haben. Trotzdem: Sie saß am Steuer und hatte Angst, dass er sie zu sehr ablenkte.
„Ich meine es ernst. Hör auf, hier herumzuspielen!“, sagte sie scharf.
Er schenkte ihr ein breites Lächeln, eines, das ihr Herz beinahe aussetzen ließ.
„Dione, wenn ich herumspielen wollte, dann wärst du die Erste, die das mitbekäme.“
„Warum fängst du nicht gleich morgen mit deiner Arbeit an?“, fragte sie in einem Anflug von Verzweiflung.
„Wir haben doch geschlossen. Urlaub. Ich hätte nichts zu tun.“
„Ich gebe dir etwas zu tun“, knurrte sie.
„Was?“
„Du kannst gleich deine Zähne vom Asphalt aufsammeln“, sagte sie. Versteht man nicht. So harsch. Macht er wieder was mit seiner Hand?
Mit gespieltem Entsetzen warf er die Arme hoch. „Okay, okay, ich bin schon brav. Als Nächstes schickst du mich noch ohne Abendessen ins Bett. Obwohl – das würde mir nichts ausmachen, solange du mich, wie sonst auch, hübsch ins Bett bringst und ich dein dünnes Nachthemdchen zu sehen kriege, von dem du immer denkst, es sei so sittsam und einfach nur bequem. Serena wohnt da drüben, in dem Haus aus Redwood und Stein.“
Dione wollte ihm gerade eine gepfefferte Antwort um die Ohren hauen, als sein letzter Satz zu ihr durchdrang. Gerade noch rechtzeitig bog sie ab und steuerte den Audi die steile Einfahrt hinauf, an dessen Ende sich das Haus an einen Berg schmiegte. Sie stieg aus und ging zur Beifahrerseite, um Blake zu helfen, der mit seinem Gehwagen kämpfte. Richard und Serena waren bereits nach draußen gekommen, um sie zu begrüßen.
Obwohl Blake Schwierigkeiten mit den Stufen hatte, bewältigte er sie alleine. Serena beobachtete mit ängstlicher Miene, wie er sich abmühte, doch sie griff nicht ein. Sie blieb eng an Richards Seite, bei dem sie sich untergehakt hatte. Dione hielt sich immer einen Schritt hinter Blake, nicht aus Dienstbarkeit, sondern um ihn gegebenenfalls aufzufangen. Grinsend drehte er sich nach ihr um: „Nicht schlecht, oder?“
„Wie eine echte Ziege“, antwortete sie, und nur er verstand die versteckte Anspielung.
Er schenkte ihr abermals sein atemberaubendes Lächeln. „Du meinst nicht zufällig eine Bergziege, oder?“
Sie zuckte die Achseln. „Eine Ziege ist eine Ziege ist eine Ziege.“
Seine Augen kündigten Vergeltung an, doch im Moment fühlte sie sich sicher. Und wenn er sich seine Rache bis zum Rückweg aufsparte, würde sie einfach aussteigen und zu Fuß weitergehen!
Der gefüllte Truthahn, den es zum Dinner gab, ließ sie alle vier stöhnen und ächzen, noch bevor er ganz aufgegessen war. Nach dem Dinner zogen sich Blake und Richard zurück, um über Geschäftliches zu reden, und Dione half Serena, den Tisch abzuräumen. Zwar hatte Serena eine Köchin, doch die hatte das Essen bereits am Vortag zubereitet, weil Serena ihr für den Rest der Woche freigegeben hatte.
„Mir macht es nichts aus, mit Richard alleine zu sein“, sagte sie mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.
„Ist die Operation Männerjagd weiterhin erfolgreich?“, fragte Dione.
„Ab und zu.“ Serena lachte wieder. „Manchmal … äh … gelingt es mir, seinen Widerstand zu brechen. Und manchmal verschließt er sich wieder vollkommen. Aber ich denke, dass ich die Schlacht letztlich gewinnen werde. Richard ist aufgefallen, dass ich jetzt nicht mehr jeden Tag zu Blake fahre.“
„Hat er nachgefragt?“
„Richard? Nein! Aber jeden Nachmittag ruft er mich wegen irgendeiner Nichtigkeit an,
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