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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
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waren. Sie konnte schwere Depressionen auslösen. Hieß das, daß ihre Depression lediglich eine Folge ihres Zustands war, wie Michael steif und fest behauptete? Daß sie mit den Tabletten, die sie eingenommen hatte, überhaupt nichts zu tun hatte?
    Sie blätterte weiter zu >Hysterische Amnesie‹ und sah rasch bestätigt, daß es sich hierbei um eine dissoziative Reaktion als Folge eines schweren seelischen Traumas handelte. Na, das ist doch inzwischen ein alter Hut, dachte sie, während sie den Rest des Absatzes überflog. Sie war enttäuscht und stark beunruhigt. Es sah nicht so aus, als würde sie hier etwas finden, das ihr weiterhelfen konnte.
    Aber dann entdeckte sie den entscheidenden Satz: >Auf einen vorübergehenden Verlust der Impulskontrolle, der beinahe zum Angriff auf das Leben eines geliebten Menschen geführt hätte, kann ein Verlust jeglicher Erinnerung an persönliche Lebensdaten folgen. <
    Hatte sie Michael vielleicht wirklich töten wollen?
    Blitzartig fiel ihr ihre anfängliche Verwirrung im Lennox Hotel ein, als sie verzweifelt versucht hatte, sich zusammenzureimen, was ihr zugestoßen war. Sie erinnerte sich ihres Entsetzens, als sie erkennen mußte, daß sie in der Tat fähig wäre, einen Menschen zu töten; als ihr bewußt geworden war, daß ihr eine solche Tat zuzutrauen war. Alles, was sie im vergangenen Monat über sich selbst erfahren hatte, bestätigte, daß sie ein heftig aufbrausendes Temperament hatte und beim geringsten Anlaß explodieren konnte. Es war also durchaus möglich, daß sie versucht hatte, ihren treusorgenden und liebevollen Gatten zu töten. Aber warum? Weil er hinter ihr Verhältnis mit Daniel Bishop gekommen war? Nahm er nun Rache für ihren Verrat, indem er ihre psychische Gesundheit zerstörte?
    In dem Text hieß es weiter, daß diese Art des Erinnerungsverlusts
durch Hypnose oder Suggestion relativ leicht zu beheben sei, insbesondere wenn die Behandlung in einem Setting stattfinde, das weitgehende Entlastung oder physische Entfernung aus der traumatischen Lebenssituation versprach.
    Vielleicht war ihre Rückkehr nach Hause, an den Ort, an dem sie beinahe ein Verbrechen verübt hätte, großenteils schuld daran, daß ihre Erinnerungen sich nicht wieder einstellten.
    Ihren ersten Termin bei einem Psychiater hatte sie praktischerweise verschlafen, und den zweiten Termin hatte Michael erst für einen Zeitpunkt sechs Wochen später vereinbart. Er hatte in den letzten Tagen mehrmals davon gesprochen, daß er einen Hypnotherapeuten mit ihr aufsuchen wolle, aber es war nur bei Worten geblieben. Jane schüttelte den Kopf und legte ihn einen Moment auf die Seiten des Buchs nieder, die angenehm kühl ihre Wange berührten. Es war gut möglich, daß sie die Wahrheit niemals erfahren würde.
    Vielleicht sollte sie die Polizei bitten, sie hypnotisieren zu lassen. Mit diesem Entschluß hob sie den Kopf und sah sich dem brummigen Gesicht Dr. Klingers gegenüber, der schnurstracks auf sie zukam.
    »Mrs. Whittaker.« Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich ihr gegenüber.
    »Guten Tag, Dr. Klinger.« Sie fragte sich, ob er die Angst in ihrer Stimme hören konnte.
    »Ah, Sie erinnern sich an mich. Wie schmeichelhaft.«
    »Selbst Hysterikerinnen, die an Gedächtnisschwund leiden, müssen sich ab und zu an jemanden erinnern.« Sie fand es irgendwie beruhigend, daß er nicht lächelte. »Und Sie brauchen mir nicht zu sagen, daß diese Bibliothek nur dem Krankenhauspersonal zugänglich ist. Ich weiß es. Aber ich hatte keine Lust, mich danach zu richten.«
    »Sie hatten hier offenbar etwas Wichtiges zu erledigen.«
    »Ich wollte ein paar Auskünfte.«

    »Über Ihren Zustand?« Er klappte die Vorderseite des Buchs um und las den Titel.
    »Nein, über das Katalogisierungssystem der Library of Congress.«
    Einen Moment schien es, als nähme Dr. Klinger ihre Antwort ernst. »Ach so«, sagte er dann. »Eine Prise Sarkasmus.«
    »Amnesie-Patienten neigen zu Sarkasmus. Das steht auf Seite einhundertdreiunddreißig.«
    »Was haben Sie sonst noch herausbekommen?«
    Sie zuckte mit den Achseln, so gelangweilt wie Vicki Lewis. »Wer hat Ihnen gesagt, daß ich hier unten bin?«
    »Mrs. Pape.« Er wies auf die Bibliothekarin. »Sie rief bei Dr. Meloff an, um sich nach Vicki Lewis zu erkundigen, und hörte, daß sie selbst am Apparat war. Mrs. Lewis ahnte gleich, wer sich hinter ihrem Namen versteckt, und rief mich an.«
    »Und was hat sie Ihnen erzählt?«
    »Daß Sie zu Dr. Meloff wollten, daß

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