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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
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einen Schluck Kaffee für mich?« fragte Jane verlegen, und Anne Halloren-Gimblet goß ihr den letzten Rest des Frühstückskaffees in die Tasse. Jane sah, wie sie die Stirn runzelte.
    »Sie müssen entschuldigen«, sagte die Frau schließlich. »Sie halten mich hoffentlich nicht für unhöflich, aber vielleicht können Sie mir sagen, warum Sie hergekommen sind.«

    »Ich wollte mich entschuldigen«, sagte Jane rasch, die beschlossen hatte, vorläufig lieber doch nicht den wahren Grund ihres Besuchs zu nennen. »Dafür, daß ich neulich so abweisend war.«
    »Sie waren nicht abweisend.«
    »Doch, und es tut mir leid. Es geht mir in letzter Zeit nicht sehr gut.«
    »Das tut mir leid.«
    »Es ist irgendein komischer Virus. Nichts Ansteckendes«, versicherte Jane schnell.
    »Zur Zeit fliegen alle möglichen komischen Viren herum«, bemerkte Anne, und Jane nickte mit Nachdruck. »Aber Sie brauchten sich doch nicht extra die Mühe zu machen und hierher zu fahren. Schon gar nicht, wenn Sie krank sind.«
    »Ach, im Moment geht es mir ganz gut.« Jane sah sich in der blitzblanken Küche um und gab sich Mühe, einen gesunden Eindruck zu machen. »Wo ist denn Ihre Tochter?« erkundigte sie sich bemüht beiläufig.
    »Ich habe zwei Töchter«, klärte Anne sie auf. »Sie sind tagsüber im Ferienlager. Der Bus hat sie abgeholt, kurz bevor Sie kamen. Nach Bayview Glen. Kennen Sie es?«
    Jane schüttelte den Kopf. Sie hatte das Gefühl, als säße er nur ganz provisorisch auf ihrem Hals, und hoffte verzweifelt, die drei Tassen Kaffee würden sie eine Weile wach halten.
    »Und Emily?« fragte Anne.
    Beim Klang dieses Namens geriet Jane aus der Fassung. »Sie ist bei ihren Großeltern. Die haben ein Sommerhäuschen auf dem Land«, stammelte sie und fragte sich, ob das wahr sei.
    »Wir hatten auch ein Sommerhaus, als ich klein war. Ich habe es geliebt. Da habe ich immer Kaulquappen und Ringelnattern gefangen.«
    »Schlangen?«
    »Ich war ein richtiger Wildfang, auch wenn man mir das heute
nicht mehr ansieht.« Anne lachte, aber es war mehr aus Nervosität als aus Erheiterung.
    Ich mache sie nervös, dachte Jane.
    »O ja«, fuhr Anne fort, »ich habe den ganzen Tag mit den Jungens draußen herumgetobt. Meine arme Mutter, sie hätte mir so gern niedliche kleine Kleidchen angezogen! Aber da war bei mir nichts zu machen. Sie hatte eine Heidenangst, daß aus mir niemals etwas Ordentliches werden würde. Können Sie sich - besonders aus heutiger Sicht - eine Mutter vorstellen, die nicht wollte, daß ihre Tochter studiert? Deren höchstes Ziel es war, daß ihre Tochter Stenotypistin wird? Gibt’s heutzutage überhaupt noch Stenotypistinnen?« Anne schüttelte den Kopf und fuhr dann, da ihr das Schweigen sichtlich Unbehagen bereitete, fort: »Als ich heiratete, war meine Mutter entsetzt, weil ich ihr sagte, daß ich meinen Mädchennamen beibehalten wolle. Sie behauptete, das wäre nichts anderes, als lebte ich in wilder Ehe. Ich habe ihr zuliebe dann einen Kompromiß geschlossen und den Namen meines Mannes angehängt. Leider paßt Gimblet nicht sehr gut zu Halloren. Ist ein bißchen schwerfällig das Ganze.«
    Jane lachte, aber das schien die Frau nur noch nervöser zu machen. Sie stand auf. »Es tut mir wirklich leid, aber ich habe nicht viel Zeit. Ich habe in einer halben Stunde einen Termin«, sagte sie.
    Offensichtlich eine Lüge, dachte Jane und sagte: »Ich weiß, ich hätte vorher anrufen wollen, aber ich war zufällig in der Gegend und dachte, ich probier’s einfach mal.«
    »Sie waren aber früh auf den Beinen.« Anne warf einen Blick auf ihre Uhr.
    Jane sah zur Uhr am Küchenherd hinüber. Es war gerade halb neun. Kein Wunder, daß die Frau nervös ist, dachte sie.
    »Ich wollte an die frische Luft«, erklärte Jane. Sie stand auf und ging mit unsicheren Beinen zu einem Korkbrett an der Wand, an dem mehrere Fotos zweier sehr blonder kleiner Mädchen
hingen. Die beiden sahen sich zum Verwechseln ähnlich, wenn auch die eine etwas größer war als die andere. »Sie könnten Zwillinge sein«, bemerkte Jane.
    »Das sagt jeder. Sehr zu Melanies Ärger. Sie weist dann jedesmal mit Nachdruck daraufhin, daß sie drei Jahre älter ist als Shannon und ungefähr zehn Zentimeter größer.«
    Shannon war also die Jüngere von beiden, sicher war sie es, die mit Emily in eine Klasse gegangen war. »Geht Shannon gern zur Schule?«
    »Ach, sie macht sich nicht viel daraus. Ich glaube, wenn sie tun könnte, was sie wollte, würde sie überhaupt

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