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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kind«, sagte Jane stöhnend. »Ich weiß.« Aber was weiß ich denn wirklich? fragte sie sich bitter und zornig. Überhaupt nichts weiß ich! Gar nichts. Sie schluckte die aufsteigenden Gefühle hinunter und zwang sich, ruhig zu fragen, auch wenn ihre Lippen bebten: »Wo hat Daddy dich angefaßt, Liebes?«
    Bitte sag es mir nicht, flehte sie lautlos. Sag es mir nicht. Ich will es nicht wissen. Ich werde nicht damit fertig. Ich halte das nicht aus.
    »Hier«, sagte Emily zaghaft und griff sich an die Brust. »Und hier.« Verlegen senkte sie die Hand zwischen ihre Beine. »Und manchmal am Popo«, schloß sie leise.
    »Wann hat er dich angefaßt?« Jane hörte ihre Stimme, als gehöre sie einer anderen. Sie konnte diese Fragen ja gar nicht stellen. Das alles war ja nur ein Traum.

    »Manchmal, wenn ich gebadet hab. Dann ist Daddy reingekommen und hat mich abgetrocknet.«
    »Wenn du gebadet hattest?« Jane hörte die Erleichterung in ihrer Stimme. Natürlich! Das Ganze war ein Riesenmißverständnis. Michael hatte Emily nur nach dem Baden abgetrocknet, wie das jeder Vater tun würde. Und eine übereifrige Lehrerin und eine Mutter, die sich allzu leicht ins Bockshorn jagen ließ, hatten diese Harmlosigkeit zu riesigen Dimensionen aufgebauscht.
    »Manchmal, wenn du abends weggegangen bist, ist Daddy zu mir ins Bett gekommen«, fuhr Emily fort, und Janes Rationalisierungen zerplatzten wie Seifenblasen. »Er sagte, er wäre froh, daß er so ein schönes kleines Mädchen gemacht hat.« Emily brach in lautes, verzweifeltes Schluchzen aus. »Er hat gesagt, es wäre ganz in Ordnung. Er hat gesagt, daß alle Väter ihre kleinen Mädchen so liebhaben.«
    Jane nahm ihre kleine Tochter in die Arme. Die nächste Frage lag ihr auf der Zunge, aber sie brachte sie nicht über die Lippen. Erst als sie fast daran erstickte, würgte sie sie hervor. »Hat Daddy - mußtest du Daddy auch anfassen?«
    »Ja, manchmal. Aber ich hab’s nicht gemocht.«
    »Wo - wo mußtest du ihn anfassen?«
    Emily wand sich aus Janes Umarmung. Sie senkte den Kopf und deutete zwischen ihre Beine.
    »Am Penis?« flüsterte Jane.
    Emily nickte. »Ich wollte nicht. Ich fand’s scheußlich, wenn meine Hände hinterher immer ganz naß und klebrig waren.«
    Jane schwankte. Sie hatte Angst, sie würde ohnmächtig werden. »Hat er...« Sie brach ab. Wollte sie die nächste Frage wirklich stellen? Was für Obszönitäten würde sie sich noch anhören müssen? »Hat Daddy noch andere Dinge mit dir getan?«
    Emily schüttelte den Kopf.
    »Hat er dir je weh getan?«

    »Nein.«
    Jane schloß die Augen. Gott sei Dank.
    »Ich mußte ihm versprechen, daß ich es dir nicht verrate, und jetzt ist er mir bestimmt böse, weil ich mein Versprechen nicht gehalten habe.«
    »Da mach dir keine Sorgen. Ich erledige das schon mit Daddy«, hörte Jane sich sagen und fragte sich, was sie damit eigentlich meinte. »Hör zu, Liebes, ich fahre jetzt nach Hause und packe ein paar Sachen, und nach der Schule komme ich wieder und hole dich ab. Und dann fahren wir beide ganz allein ein paar Tage weg. Na, wie war das?«
    »Ohne Daddy?«
    »Ja, diesmal ohne Daddy.« Sagte sie das alles wirklich? »Nur wir zwei Frauen. Okay?«
    Emily nickte. Sie wischte sich die Tränen mit dem Handrükken vom Gesicht. »Bring meine Decke mit.«
    »Natürlich. Die würde ich nie vergessen. Verlaß dich auf mich, ich erledige schon alles.« Jane schwieg, unsicher, ob sie überhaupt würde aufstehen können, ohne zusammenzubrechen. »Inzwischen gehst du und spielst mit den anderen Kindern wie immer, hm? Du weißt, daß ich dich liebhabe.«
    »Ich habe dich auch lieb, Mami.«
    Jane bedeckte die Wangen ihrer Tochter mit Küssen. »Und Daddy faßt dich nie wieder so an. Das verspreche ich dir, Liebes. Okay?«
    Emily sagte nichts. Jane begriff, daß sie ihren Vater liebte und das Gefühl hatte, ihn verraten zu haben.
    »Du hast ganz richtig gehandelt, Liebes. Es war richtig, daß du mir alles erzählt hast. Mach dir keine Sorgen. So, und jetzt gehst du wieder runter und ißt dein Mittagessen fertig, und wenn die Schule heute nachmittag aus ist, bin ich da.«
    Sie sah Emily nach, die durch den Korridor rannte und die Treppe hinunter verschwand.

    »Hat sie Ihnen etwas gesagt?« Pat Rutherford war hinter Jane getreten.
    Jane ging den Korridor entlang. »Ich erledige das schon«, sagte sie, ohne zurückzublicken, und begann zu laufen.

28
    »Du dreckiges, gemeines Schwein! Ich bring dich um! Ich bring dich um, verdammt

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