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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ich glaub nicht.«
    »Hat - hat Andrew mal etwas zu dir gesagt, das dir - unangenehm war?«
    »Was meinst du?«
    »Hat er dir vielleicht einmal vorgeschlagen - etwas zu tun - was du nicht tun wolltest?«
    »Mami, ich versteh nicht, was du meinst.«
    »Hat er dich mal irgendwo angefaßt, wo du es nicht wolltest?«
    Emily sagte nichts.
    »Emily? Hat Andrew dich mal irgendwo angefaßt, wo du es nicht wolltest?«
    Emily blickte zu Boden. Jane kämpfte um Beherrschung. Innerlich tobte sie. Ich bring das Schwein um! Ich bring das Schwein eigenhändig um!
    »Emily, Schatz, du mußt mir die Wahrheit sagen. Bitte. Es ist sehr wichtig. Ich weiß, daß es nicht deine Schuld ist, ganz gleich, was geschehen ist. Und ich verspreche dir, daß ich nicht böse werde. Ich weiß, wie lieb du bist. Du würdest niemals etwas Unrechtes tun. Darum weiß ich, daß das, was passiert ist, nicht deine Schuld ist. Aber es ist sehr wichtig, Liebes. Ich muß die Wahrheit wissen. Hat Andrew dich einmal irgendwo angefaßt, wo du es nicht wolltest? Hat er dich an Stellen berührt, die eigentlich niemand berühren darf?«
    Jane war fast übel. Sie konnte kaum glauben, daß sie diese Worte sprach. Vielleicht tat sie es ja auch gar nicht. Vielleicht, dachte sie, sich an eine plötzliche, unrealistische Hoffnung klammernd, war das alles nichts als ein böser Traum.
    Eine Ewigkeit schien zu vergehen, ehe Emily sprach.
    »Andrew nicht«, sagte sie.
    »Was?«
    »Andrew nicht«, wiederholte Emily, ohne ihre Mutter anzusehen.

    »Andrew nicht? Wer dann?« Im Geist ging Jane alle Alternativen durch. Wenn nicht Andrew, dann vielleicht einer seiner Freunde. Oder vielleicht einer der größeren Jungen hier an der Schule. Vielleicht sogar einer der Lehrer. Vielleicht der Zahnarzt, den sie vor einigen Monaten mit Emily aufgesucht hatte. Vielleicht auch ein Wildfremder.
    »Emily, wer war es? Bitte! Du mußt es mir sagen. Wer hat dich auf eine Weise angefaßt, die du nicht mochtest? Bitte, Kind, du kannst es mir sagen, das weißt du doch.«
    Emily hob langsam den Blick und sah ihrer Mutter in die Augen. »Daddy«, sagte sie.
    Alles stand still; ihr Herz; die Uhr; ihr Atem. Alle Geräusche verstummten unter dem lauten Dröhnen in ihren Ohren. Bestimmt hatte sie sich verhört. Bestimmt hatte Emily gelogen und einfach irgendeinen Namen genannt, weil ihre Mutter sie in diese schwierige Situation gedrängt hatte. Sie hatte sich etwas ausgedacht, um ihre Mutter zu beschwichtigen. Bestimmt war das alles gar nicht wahr.
    Es war unmöglich. Undenkbar, daß der Mann, mit dem sie seit elf Jahren verheiratet war, dieser liebevolle Ehemann und angesehene Kinderchirurg, diese Stütze der Gesellschaft, der unzähligen wohltätigen Vereinen angehörte, der von allen, die ihn kannten, verehrt und geliebt wurde, daß dieser Mann sich an seiner eigenen Tochter vergriffen haben sollte - nein, das war einfach unmöglich. Und es war absolut lächerlich. Diesem Mann gehörte seit fast zwölf Jahren ihr ganzes Vertrauen; er hatte in guten und auch in schlechten Tagen immer zu ihr gestanden; er war immer da, sie zu trösten und zu beruhigen, wenn sie die Beherrschung verlor und ihre Gefühle mit ihr durchgingen. Und dieser Mann sollte ihre gemeinsame Tochter belästigt haben? Unmöglich. Das konnte nicht wahr sein. Es war nicht wahr.
    Wenn es wirklich wahr sein sollte, fragte sie sich, den Blick starr auf Emily gerichtet, die lautlos weinte, hinter was für
Scheuklappen hatte sie selbst sich dann all die Jahre versteckt? Wer war sie überhaupt, daß sie sich so hatte täuschen lassen? Was sagte es über sie, daß ihr Mann keineswegs der Mensch war, für den sie ihn gehalten hatte? Was sagte es über sie als Mutter, wenn sie einen solchen Mißbrauch nicht einmal geahnt hatte? Wenn erst die Lehrerin des Kindes sie hatte darauf stoßen müssen. Was war sie für ein Mensch? Wer war Jane Whittaker, die für den Umweltschutz kämpfte, aber nicht fähig war, ihr eigenes Kind zu schützen? Wer war sie?
    »Bist du mir böse, Mami?«
    Jane hatte Mühe zu sprechen. »Aber nein, natürlich nicht. Ich bin dir nicht böse, Liebes.«
    »Ich mußte Daddy versprechen, daß ich dir nichts sage«, fuhr das Kind ganz von selbst fort. Jane hätte sich am liebsten die Hände auf die Ohren gedrückt und geschrien >genug!< Aber dazu war es jetzt zu spät. Sie würde alles zu hören bekommen, was Emily zu sagen hatte, ob sie wollte oder nicht. »Er hat gesagt, es muß unser Geheimnis bleiben.«
    »Ich weiß,

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