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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
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rechts, um sie im Profil zu begutachten, »aber ich geh selten ins Kino, und aus dem Fernsehen kenn ich Sie nicht. Spielen Sie in einer von den Seifenopern mit? Ich weiß schon, daß die Schauspieler immer in die Einkaufszentren kommen und so. Ich mußte mal mit meiner Schwester zu so ’ner Veranstaltung. Sie wollte unbedingt Ashley Abbot aus Jung und Rastlos sehen. Jung und Nutzlos , sag ich immer. Machen Sie da mit?«
    Sie schüttelte den Kopf. Welchen Sinn hatte es, diese Farce weiterzuführen? Er kannte sie offensichtlich so wenig wie sie sich selbst.

    Sie sah, wie sein Körper sich straffte, abweisend wurde. »Aber für die Zeitschrift müssen Sie trotzdem bezahlen, auch wenn Sie noch so berühmt sind. Sie macht zwei fünfundneunzig.«
    »Ich - ich habe meine Handtasche vergessen«, sagte sie leise.
    Jetzt sah der Mann ärgerlich aus. »Ja, glauben Sie vielleicht, nur weil Sie in irgendeiner blöden Fernsehserie mitspielen, können Sie ohne Geld rumlaufen? Bilden Sie sich ein, bloß weil Sie ’n ganz hübsches Gesicht haben, schenk ich Ihnen alles, was Sie haben wollen?«
    »Nein, natürlich nicht...«
    »Entweder Sie zahlen jetzt für das Heft, oder Sie verschwinden aus meinem Laden. Ich hab was Besseres zu tun, als meine Zeit mit Ihnen zu vertun. Und Leute, die mich verarschen, brauch ich schon gar nicht.«
    »Das wollte ich doch gar nicht. Ehrlich.«
    »Zwei Dollar fünfundneunzig«, sagte er wieder und hielt ihr die geöffnete Hand hin.
    Sie wußte, sie hätte ihm einfach die Zeitschrift zurückgeben sollen, aber sie tat es nicht. >Cindy Crawford< sah so schön aus, so glücklich, so verdammt selbstsicher. Hoffte sie vielleicht, daß etwas von dieser grenzenlosen Selbstsicherheit auf sie abfärben würde? In der Hoffnung, etwas Kleingeld zu finden, griff sie hastig in die Taschen ihres Trenchcoats, erst in die eine, dann in die andere, und konnte nicht glauben, was sie fand. Ihre Hand war voll knisternder neuer Hundert-Dollar-Scheine.
    »Wau!« Der Mann hinter der Theke pfiff durch die Zähne. »Haben Sie vielleicht ’ne Bank ausgeraubt oder so was?« Dann: »Oder haben Sie die selbst gedruckt?«
    Sie sagte nichts, starrte nur auf das Geld in ihrer Hand.
    »Ist ja auch egal. Mit Hundert-Dollar-Scheinen kann ich jedenfalls nichts anfangen. Wenn ich Ihnen jetzt einen Hunderter kleinmach, hab ich nachher kein Wechselgeld mehr. Wieviele von den Dingern haben Sie überhaupt?«

    Sie spürte, wie der Atem in kurzen, flachen Stößen aus ihrer Brust herausgepreßt wurde. Was in aller Welt tat sie mit zwei Taschen voller Hundert-Dollar-Noten? Woher kam das viele Geld?
    »Hey, alles in Ordnung, Lady?« Der Mann hinter der Theke sah ängstlich zur Tür. »Sie werden mir doch hier nicht umkippen?«
    »Haben Sie eine Toilette?«
    »Nur privat«, sagte er stur.
    »Bitte!«
    Die Verzweiflung in ihrer Stimme überzeugte ihn offenbar, denn er hob hastig den Arm und wies zu dem Lagerraum zu seiner Rechten. »Aber da hab ich gerade saubergemacht. Versauen Sie mir nicht den frisch geschrubbten Boden, wenn’s geht.«
    Sie fand die Toilette neben dem Lagerraum ohne Mühe. Es war eine enge Kammer mit einer alten Toilette und einem gesprungenen Spiegel über einem fleckigen Waschbecken. An den Wänden waren Kartons mit Vorräten gestapelt. Neben der Tür stand ein zur Hälfte mit Wasser gefüllter Eimer, daneben lehnte ein Schrubber.
    Sie rannte zum Becken und drehte das kalte Wasser auf. Die Zeitschrift unter den Arm geklemmt, fing sie den eisigen Strahl mit beiden Händen und schwappte sich das Wasser ins Gesicht, bis sie das Gefühl hatte, wieder gerade stehen zu können, ohne ohnmächtig zu werden.
    Langsam hob sie das Gesicht zum Spiegel und fuhr zurück. Die Frau, die sie anblickte, war eine Fremde. Nichts an ihren Zügen war auch nur vage vertraut. Sie betrachtete die helle Haut und die dunkelbraunen Augen, die kleine, etwas aufgeworfene Nase und den vollen Mund, der im gleichen Korallenton gemalt war wie ihre Nägel. Das braune Haar war vielleicht eine Nuance heller als die Augen, zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden und von einer straßbesetzten Spange gehalten, die sich gelockert
hatte und herauszufallen drohte. Sie zog sie ganz heraus, schüttelte den Kopf und sah, wie ihr Haar weich und locker auf ihre Schultern fiel.
    Ein anziehendes Gesicht, dachte sie, es mit Abstand taxierend, als ziere es wie Cindy Crawfords das Titelblatt einer Zeitschrift. Ganz hübsch, hatte der junge Mann gesagt. Vielleicht etwas mehr.

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