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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
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liebevolle Fürsorge mit mißtrauischer Schnüffelei zu vergelten.
    Sie bückte sich, hielt sich am Bett fest, als plötzlicher Schwindel sie überkam, und steckte das Telefonkabel ein. Das Amtszeichen schrillte ihr durchdringend, mit scharfem Vorwurf ins Ohr. »Und jetzt?«
    Jetzt rufst du die Auskunft an, befahl sie sich. Sie setzte sich aufs Bett und tippte 4-1-1.
    »Welchen Ort wollen Sie?« fragte eine Telefonistin beinahe sofort.
    »Boston«, antwortete sie genauso prompt. »Das Städtische Krankenhaus.«
    Es folgte eine Pause. Die menschliche Stimme wurde durch einen
Automaten ersetzt, der die Nummer zweimal wiederholte, während sie in der Schublade des Nachttischs nach ihrem Adreßbuch wühlte.
    »Einen Moment bitte«, drängte sie den Automaten. »Ich möchte mir die Nummer gern aufschreiben. Wo ist denn nur das Buch?« Sie erinnerte sich ganz genau, das Buch mit dem PaisleyMuster Seite um Seite durchgegangen zu sein, nachdem sie aus dem Krankenhaus gekommen war. Aber jetzt war es nicht mehr da. »Ach bitte, könnten Sie das noch einmal wiederholen?« bat sie und gab die Suche auf, um sich ganz auf die Nummer zu konzentrieren, die der Automat durchsagte. »Na wunderbar, jetzt rede ich schon mit Maschinen.«
    Sie wählte die Nummer sofort und konnte nur hoffen, daß sie sie richtig im Kopf behalten hatte.
    »Städtisches Krankenhaus Boston«, meldete sich eine Stimme.
    »Würden Sie mich bitte mit Dr. Meloff verbinden.«
    »Bitte? Könnten Sie etwas lauter sprechen? Welchen Arzt suchen Sie?«
    »Dr. Meloff«, wiederholte Jane lauter.
    »Ich glaube nicht, daß Dr. Meloff heute im Haus ist. Aber
    bleiben Sie einen Moment dran, ich versuch’s mal bei ihm.«
    »Ach ja, natürlich. Heute ist Samstag. Samstags ist er sicher nicht da.« Jane wollte schon auflegen, als sie seine Stimme hörte. »Dr. Meloff?«
    »Am Apparat. Was kann ich für Sie tun?«
    »Hier spricht Jane Whittaker.«
    Es kam keine Reaktion.
    »Jane Whittaker. Die Frau von Dr. Michael Whittaker.«
    »Aber ja, natürlich, Jane !« Er sprach ihren Namen mit besonderem Nachdruck, als wäre er froh, von ihr zu hören. »Normalerweise bin ich samstags nicht hier, darum erwarte ich auch keine Anrufe. Wie geht es Ihnen denn?«

    »Sie müssen entschuldigen, daß ich Sie störe...«
    »Aber wieso denn? Ich freue mich, von Ihnen zu hören. Ist alles in Ordnung?«
    »Ich weiß nicht genau.«
    »Ich habe einige Male mit Ihrem Mann gesprochen. Er sagte mir, daß er Ihren Termin mit dem Psychiater verschieben mußte, aber den Eindruck hätte, daß Sie Fortschritte machen. Er erzählte mir, Sie hätten sich an eine Begebenheit aus der Vergangenheit erinnert.«
    »Das stimmt«, bestätigte sie und versuchte, sich von ihrer Verwirrung nichts anmerken zu lassen. »Ich wußte gar nicht, daß Sie mit meinem Mann gesprochen haben«
    »Ich hoffe, Sie nehmen mir meine Neugier nicht übel. Und Ihr Mann macht sich verständlicherweise Sorgen. Deshalb vereinbarten wir, in Verbindung zu bleiben. Was kann ich für Sie tun, Jane?«
    »Es geht um die Tabletten, die Sie mir verschrieben haben, Dr. Meloff«, begann sie und erwartete beinahe, daß er indigniert sagen würde: Was für Tabletten? Ich habe keine Tabletten verschrieben? Aber er sagte nichts. »Ich wollte gern wissen, was für ein Mittel das eigentlich ist.«
    »Soweit ich mich erinnere, habe ich Ativan verschrieben. Haben Sie einen Moment Geduld, dann sehe ich mal nach.«
    Es folgten mehrere Sekunden tiefer Stille. Dr. Meloff hatte ihr also doch ein Medikament verschrieben. Michael befolgte lediglich seine Anweisungen.
    »Ja, Ativan«, sagte Dr. Meloff, als er wieder an den Apparat kam. »Die Basissubstanz ist Lorazepam. Ich weiß nicht, ob Ihnen das etwas sagt, aber im wesentlichen handelt es sich um ein sehr mildes Beruhigungsmittel, Valium nicht unähnlich, aber nicht auf gleiche Weise suchterzeugend.«
    »Aber warum muß ich denn überhaupt etwas nehmen?«
    »Ein leichtes Beruhigungsmittel wirkt erfahrungsgemäß bei
hysterischer Amnesie sehr gut.« Er machte eine kurze Pause, und Jane glaubte, ihn lächeln zu sehen. »Schauen Sie, Jane, Sie stehen unter starker seelischer Belastung. Sie können sich nicht erinnern, wer Sie sind; Sie sind mit einem Mann verheiratet, den Sie nicht kennen. Sie sind von lauter Fremden umgeben. Das muß Ängste auslösen, die möglicherweise das Erinnerungsvermögen zusätzlich blockieren. Das Ativan soll diesen Ängsten entgegenwirken und der Erinnerung den Weg frei

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