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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
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Sie hob die Hände zum Hinterkopf und grub die Fingernägel so tief in die Kopfhaut, daß es schmerzte. »Mein Kopf tut so weh!« rief sie weinend. »Mein Kopf tut so weh, und ich kann nicht denken und bin die ganze Zeit müde. Verdammt noch mal, was ist nur mit mir los?«
    Es mußte an den Tabletten liegen. Trotz Michaels Versicherungen, daß es ein sehr mildes Mittel sei, war es offensichtlich zu stark für sie. Sie war wahrscheinlich an eine längere Einnahme von Medikamenten nicht gewöhnt. Die Tabletten waren schuld an ihrer Desorientierung und Depression, an der ständigen Müdigkeit und dem Gefühl der Aussichtslosigkeit. Aber jedesmal, wenn sie Michael darauf ansprach, jedesmal, wenn sie fragte, ob es wirklich notwendig wäre, sie zu nehmen, sagte er ihr, daß Dr. Meloff sie ausdrücklich verschrieben und angeordnet hatte, daß sie sie wenigstens mehrere Wochen lang nehmen solle.
    Aber hatte Dr. Meloff das wirklich verordnet?
    »Hey, was soll das heißen?« fragte sie ihr Spiegelbild, bestürzt über diesen Gedanken. »Was willst du damit sagen? Daß Michael dich belügt? Daß Dr. Meloff nie ein Medikament verschrieben hat? Daß Michael dich mit Paulas Hilfe absichtlich unter Drogen setzt, damit du dauernd müde und deprimiert bist? Aber warum? Wozu? Wie kannst du plötzlich so etwas über einen Mann denken, mit dem du eben noch schlafen wolltest?«
    »Weil ich offensichtlich verrückt bin«, lautete die Antwort. »Kein normaler Mensch käme auf die Idee, mit seinem eigenen Spiegelbild zu streiten.«

    Du kannst die Wahrheit ganz leicht herausfinden, sagte die Frau im Spiegel zu ihr. Du brauchst nur Dr. Meloff anzurufen.
    »Was?«
    Ruf Dr. Meloff an. Er hat dir doch gesagt, daß du dich jederzeit an ihn wenden kannst. Ruf ihn an und frag, ob er dir ein Medikament verschrieben hat.
    Aber wie denn?
    Na, das ist doch einfach. Du hebst den Telefonhörer ab und wählst.
    Jane drehte den Kopf zum Telefon auf ihrem Nachttisch. War es wirklich so einfach? War das alles, was sie zu tun brauchte? Abheben und wählen?
    Ihre Hand war schon auf dem Weg zum Telefon, als sie innehielt. Und wenn nun Michael hereinkam? Wo war er überhaupt? Es war nach neun. Schlief er vielleicht noch?
    Zielstrebig ging sie aus dem Schlafzimmer in den Flur, bedacht darauf, kein Geräusch zu machen. Wenn er noch schlief, wollte sie ihn nicht stören. Wenn er irgendwo in einem anderen Zimmer beschäftigt war, wollte sie ihn nicht dazu bringen, ihr zu Hilfe zu kommen. Wenigstens noch nicht. Auf Zehenspitzen schlich sie durch den Flur, blickte erst in Emilys Zimmer, dann ins Bad, ins Gästezimmer und schließlich in Michaels Arbeitszimmer. Das Bett im Gästezimmer war gemacht, und er arbeitete auch nicht an seinem Computer. Von unten hörte sie Hundegebell und trat ans Fenster, um hinauszublicken.
    Michael war drüben im Vorgarten der Bishops und unterhielt sich mit Carole. J. R. riß mit wütendem Gebell an der Leine, offensichtlich wenig erbaut darüber, daß er um seinen Spaziergang gekommen war. Jane hatte den Eindruck, daß Michael und Carole ein sehr ernstes Gespräch führten. Beide hielten die Köpfe gesenkt, ihre Blicke schienen auf das Gras zu ihren Füßen gerichtet zu sein. Sie sah, wie Carole nickte und Michael ihr fürsorglich den Arm tätschelte. Wahrscheinlich lamentiert sie wieder einmal
über Daniel, dachte Jane. Oder ihren Vater. Und Michael war lieb und teilnahmsvoll, wie das seiner Art entsprach. Konnte sie ernstlich an ihm zweifeln?
    Zornig und beschämt über sich selbst kehrte sie ins Schlafzimmer zurück. Hatte Michael auch nur das Geringste getan, was ihr das Recht gab, seine Motive in Frage zu stellen? Ihn zu verdächtigen, daß er ihr Drogen gab, die sie gar nicht brauchte? Nein! Er hatte die ganze Zeit nichts anderes getan, als sich um sie zu kümmern, für sie zu sorgen, ihr zu helfen. Und ihr rund um die Uhr Tabletten zu geben.
    Wieder blickte Jane zum Telefon neben dem Bett. »Heb ab und wähl!« sagte sie laut.
    Zaghaft langte sie hinüber und hob den Hörer ab. Sie hörte kein Amtszeichen. Ihr Blick folgte dem Kabel zur Steckdose in der Wand. Das Kabel war nicht eingesteckt; es lag zusammengerollt wie eine schlafende Schlange direkt unter der Dose. Michael mußte den Stecker herausgezogen haben, damit sie nicht vom Läuten des Telefons gestört wurde, wenn sie schlief. Er war nur um ihr Wohl besorgt, wie er das jeden Tag seit ihrer Heimkehr unzählige Male bewiesen hatte. Und sie war drauf und dran, ihm seine

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