Lauf, Jane, Lauf!
taktlos.«
»Apropos«, mischte sich Michael ein. »Wir haben euch noch gar nicht für die Blumen und den Wein gedankt.«
»Es war uns ein Vergnügen.«
»Was stört dich denn an mir?« flüsterte Jane Sarah zu.
Sarah zögerte. »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, ohne daß es ganz fürchterlich klingt.« Sie schüttelte resigniert den Kopf. Dann holte sie einmal tief Atem. »Ich weiß es selbst nicht genau. Du siehst irgendwie so mumienhaft aus, gar nicht lebendig. Ich kann’s nicht genau definieren. Vielleicht ist es wirklich das Make-up. Vielleicht liegt es auch an dem Pulli. Du bist einfach so - so rosarot.«
»Ich liebe Jane in Rosa«, bemerkte Michael und legte Jane den Arm um die Taille, während er mit der anderen Hand Sarah ihren Drink reichte.
»Nein, ihre Farbe ist eindeutig Blau.« Sarah hob ihr Glas. »Also, prost, Leute. Auf Glück und Gesundheit.«
»Möchtest du noch was?« fragte Michael fürsorglich, als er sah, daß Jane ihr Glas geleert hatte.
»Ich hol’s mir schon«, erwiderte Jane.
»Laß mich«, sagte Peter und schenkte Jane neu ein.
»Wollen wir uns nicht setzen?«
»Gute Idee. Reich uns doch mal die Pâté herüber, Peter, sonst ißt du sie am Ende noch ganz allein auf.«
»Frauen!« stöhnte Peter und klatschte ein Häufchen Pate auf einen Kräcker für seine Frau. »Du willst jetzt bestimmt auch einen, was?« fragte er Jane, die überlegte, ob er es wohl ernst meinte.
Peter Tanenbaum kam ihr vor wie ein großer, gutaussehender Junge. Er war groß und schlank wie seine Frau, hatte graue Strähnen im braunen Haar. Aber in den braunen Augen blitzte etwas Lausbubenhaftes, eindeutig Kindliches. Man wußte bei ihm nie, ob er wirklich meinte, was er sagte. Gab es denn keinen, auf den man sich verlassen konnte?
»Mach doch nicht so ein grimmiges Gesicht«, sagte er. »Du brauchst ihn ja nicht zu essen, wenn du nicht willst.«
Jane nahm den Kräcker, den Peter ihr anbot, und schob ihn in den Mund.
»Jetzt willst du wohl gleich noch einen haben?«
»Also, erzähl mal. Wie war’s in San Diego«, drängte Sarah. »Wie hast du es da so lange ausgehalten?«
»Was soll das heißen? San Diego ist eine tolle Stadt«, bemerkte Peter.
»Ja, für eine Woche«, entgegnete Sarah. »Aber für einen ganzen Monat... Man kann doch nicht jeden Tag in den Zoo gehen.«
»Jane hat der Zoo in San Diego immer besonders gut gefallen«, warf Michael ein.
»Und sie kann ihre Schwägerin kaum ausstehen. Du hast doch immer gesagt, sie hätte nichts als Scheiße im Hirn«, erinnerte Sarah sie.
»Sie hat sich offensichtlich geändert«, meinte Michael.
»Da muß sie sich aber schon sehr geändert haben.«
»So was soll vorkommen.«
»Ach ja? Seit wann?«
»Meine Frau, die Zynikerin.«
»Mein Mann, der Besserwisser.«
»Tja, junge Liebe ist doch etwas Herrliches.«
»Na schön«, fuhr Sarah fort, nicht bereit, sich so leicht abspeisen zu lassen. »Du warst also im Zoo und im Marinemuseum und hast ein paar Bootsfahrten gemacht - und weiter?«
»He, was soll das?« fragte Peter. »Ist das vielleicht ein Verhör? Was tut man im Urlaub? Man besucht Freunde und Verwandte; man schaut sich die Sehenswürdigkeiten an; man spannt einfach mal aus.«
»Warst du auch mal in Los Angeles?«
»Ein paar Tage, ja«, log Jane. Sie fühlte sich ein wenig benommen und schwindlig und fragte sich, ob das viele Fabulieren heute abend der Grund dafür war. »Es war toll.«
»Also, jetzt bin ich wirklich baff. Ich dachte, du haßt L. A.«
»Manchmal schon, ja.«
»Aber diesmal nicht?«
»Diesmal fand sie es toll«, antwortete Peter an Janes Stelle. »Und was tut sich in der Medizin, Michael?«
»Viel Arbeit.«
»Zuviel Arbeit, um mit deiner Frau Urlaub zu machen?« fragte Sarah.
»Ich bin an den Wochenenden ein paarmal rübergeflogen.«
»Ach, das ist ja nett.«
»Und was tut sich so bei den Steuerberatern?« fragte Michael.
Jane sah, wie sein Gesicht sich in zwei Hälften spaltete, die sich gleich wieder vereinigten. Was war mit ihr los?
»Der Sommer ist immer eine gute Zeit. Nicht soviel Druck. Da kann man es ein bißchen lockerer angehen und sich um neue Klienten kümmern. Ach, hab ich dir schon erzählt, wen ich als Klienten gewonnen habe?«
»Jane, geht’s dir nicht gut?« Sarah beugte sich in ihrem Sessel vor.
»Mir war nur eben ein bißchen schwindlig.«
»Jane, was ist? Ist dir nicht gut?«
Sie starrte in Michaels besorgtes Gesicht. »Alles in Ordnung?«
War es möglich, daß Paula
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