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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
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denn?« Paula neigte sich zur Wanne hinunter. Jane rempelte sie mit aller Kraft an, und Paula fiel stolpernd vornüber. Sie warf die Arme nach vorn, um sich abzustützen, und schrie, halb in der Wanne hängend, laut auf, mehr vor Schreck als vor Schmerz. Aber da stürzte Jane schon aus dem Bad, knallte die Tür hinter sich zu und zerrte den Nachttisch samt Lampe von ihrem Bett vor die Tür, obwohl ihr klar war, daß Paula kaum Mühe haben würde, darüber hinwegzuklettern und ihr nachzusetzen. Sie hoffte, es würde sie wenigstens so lange aufhalten, daß sie aus dem Haus entwischen konnte.
    Sie flog förmlich die Treppe hinunter, stolperte, stürzte und rappelte sich hastig wieder auf, als sie Paula oben aus dem Bad kommen hörte. Ohne einen Blick zurück rannte sie zur Haustür.
    »Jane!« rief Paula, die die Treppe erreicht hatte. »Was soll das? Wo wollen Sie hin?«
    Jane schlug krachend die Tür hinter sich zu, entdeckte auf der Straßenseite gegenüber Caroles Wagen und betete zu Gott, er möge nicht abgeschlossen sein. Sie riß an der hinteren Tür und hätte vor Dankbarkeit beinahe geweint, als sie aufsprang. Sie kroch hinein, zog die Tür leise hinter sich zu und kauerte an die Rücklehne des Vordersitzes gelehnt auf dem Boden nieder. Ihr Herz schlug zum Zerspringen, und ihr Magen krampfte sich so heftig zusammen, daß sie Angst hatte, sie würde sich übergeben müssen. Sie hörte Paula rufen, stellte sich vor, wie sie auf der Suche nach ihr die Straße hinauf und hinunter blickte, um das Haus herum nach hinten lief und schließlich in zorniger Resignation aufgab. Was jetzt? Würde Paula ins Haus zurückkehren? Wieder einmal Michael anrufen? Wieviel Zeit bleibt mir? fragte sich Jane. Und was soll ich tun?
    Ohne aufblicken zu müssen, spürte sie, daß jemand durch das Wagenfenster zu ihr hinunterspähte. Aus und vorbei. Geschnappt.
Sie zog den Kopf noch tiefer ein, als sie hörte, wie an der Türklinke gerüttelt wurde. Geschnappt wie eine Kriminelle, dachte sie und sah sogleich ihr blutverschmiertes Kleid und die Bündel von Hundert-Dollar-Noten vor sich, die sie in ihren Manteltaschen gefunden hatte. Vielleicht bin ich wirklich eine Kriminelle. Vielleicht bekomme ich genau das, was ich verdiene. Gib doch auf, drängte ein Teil von ihr, jener Teil, der todmüde war und nichts anderes mehr wollte als schlafen. Sie holte tief Atem, lehnte sich an das abgeschabte Leder des Rücksitzes und zwang sich, den Blick zum Fenster zu heben.
    Caroles Vater sah lächelnd zu ihr hinunter. Er musterte sie so neugierig, als wäre sie ein exotischer Vogel in einem Glaskäfig. Sie hörte Schritte, dann Caroles Stimme. »Vater, was tust du hier?«
    Sie hob die Hand, legte den Finger an die Lippen und sah den alten Mann dabei beschwörend an. Er grinste breit mit zahnlosem Mund.
    »Vater, wir können jetzt noch nicht fahren. Komm wieder rein. Du hast noch nicht mal fertig gefrühstückt. Dein Toast wird ganz kalt.«
    Caroles Vater richtete sich gerade auf, und sein Gesicht verfinsterte sich bei der Vorstellung von kaltem Toast. Dann drehte er sich um und ging zum Haus.
    »Carole!« hörte Jane Paula rufen. »Haben Sie Jane gesehen?« Mit jedem Wort kam die Stimme näher.
    »Jane? Nein. Warum - ist sie wieder weggelaufen?«
    »Sie hat mich in die Badewanne gestoßen und ist aus dem Haus gerannt. Ich hätte mir bei dem Aufprall beinahe das Handgelenk gebrochen.
    »Du lieber Himmel, das hört sich ja an, als hätte sie jetzt völlig durchgedreht.«
    »Wenn Sie sie sehen sollten oder sie sich bei Ihnen meldet, würden Sie mich dann sofort rufen?«

    »Aber natürlich.«
    »Danke.«
    »Vater, komm jetzt wieder rein!«
    Jane hörte, wie die Haustür geschlossen wurde. Einen Augenblick später fiel etwas weiter weg eine zweite Tür zu. Waren sie jetzt beide weg? Langsam und vorsichtig richtete sie sich auf und spähte über den unteren Rand der Fensterscheibe. Es war niemand da. Der Vorgarten zu Caroles Haus war leer. Ebenso ihr eigener Vorgarten. Aber natürlich konnte jemand am Fenster stehen. Sie mußte sehr vorsichtig sein. Behutsam stieß sie die Wagentür auf und kroch gebückt zum Bürgersteig hinaus.
    Und weiter? Wohin wollte sie? Sie hatte kein Geld. Sie hatte in ihrer kopflosen Flucht alles stehen und liegen gelassen. Wie gehabt, dachte sie. Jetzt irre ich also wieder einmal ohne Handtasche und ohne Papiere durch die Gegend. Nur weiß ich diesmal, wer ich bin, auch wenn ich mich noch immer nicht daran erinnern kann. Ich bin

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