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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihr die Hand und rief seinem Mitarbeiter zu, er solle ein Glas Wasser bringen.
    »Da, trinken Sie.« Er drückte ihr das Glas an die Lippen.

    Sie ließ das Wasser in ihren Mund rinnen und kämpfte gegen das Verlangen, einfach die Augen zu schließen und sich fallen zu lassen. Der Apotheker, ein Mann von vielleicht sechzig Jahren, mit einem buschigen Schnauzbart und langen Koteletten, wie man sie Anfang der siebziger Jahre getragen hatte, tupfte ihr die Stirn mit einem Taschentuch.
    »Es ist wahrscheinlich die Hitze«, sagte sie, unsicher, ob sie laut genug gesprochen hatte, um gehört zu werden.
    »Sie sind aber für dieses Wetter auch ein bißchen zu warm gekleidet, wenn ich das mal sagen darf. Es soll heute vierzig Grad werden. Meinen Sie, Sie können aufstehen?«
    Jane schüttelte den Kopf. »Ich möchte lieber noch einen Moment sitzen bleiben.«
    »Ich habe hinten einen Stuhl. Wir können Sie doch nicht hier auf dem Boden sitzen lassen. Kommen Sie, Sie können mir Gesellschaft leisten, bis Sie sich wieder erholt haben.« Er schob ihr die Arme unter die Achseln und zog sie hoch.
    Jane spürte, daß jemand hinter sie trat und sie anschob. Als sie sich umdrehte, sah sie direkt in Paulas höflich lächelndes Gesicht. »Nein!«
    »Oh! Entschuldigen Sie. Habe ich Ihnen weh getan?« fragte das junge Mädchen erschrocken. Es war gar nicht Paula, wie Jane jetzt erkannte.
    »Sind Sie krank?« fragte der Apotheker besorgt, als er sie zu dem Stuhl hinter dem Ladentisch führte.
    Jane begann lautlos zu weinen. Sie ließ sich auf den Stuhl fallen und griff mit zitternder Hand in ihre Hosentasche, um die zwei kleinen weißen Tabletten herauszuziehen.
    »Können Sie mir sagen, was für Tabletten das sind? Ich meine, ohne daß Sie sie erst zur Analyse wegschicken müssen.«
    Der Apotheker nahm die Tabletten aus ihrer geöffneten Hand und drehte sie mehrmals hin und her, um sie sich genau anzusehen.

    »Woher haben Sie die?«
    »Wissen Sie, was für ein Mittel das ist?«
    »Ich glaube, ich weiß es, ja.«
    »Ativan?«
    »Ativan? O nein, das ist kein Ativan. Ativantabletten sind schmal und oval geformt. Wer hat Ihnen gesagt, daß das Ativan ist?«
    »Es ist kein Ativan?« fragte Jane erregt.
    »Nein. Das sieht mir eher nach Haldol aus.«
    »Und was ist das?«
    »Ein Mittel, von dem man lieber die Finger lassen sollte.« Er kniff die Augen zusammen. »Haben Sie etwa diese Tabletten genommen? Ohne Rezept?«
    Sie nickte schuldbewußt. »Ich hatte Schlafstörungen, und ein Freund sagte mir, die würden helfen.«
    »Da kann ich Ihnen nur eines raten: Weg mit den Tabletten und weg mit dem Freund. Solche Freunde sind gefährlich.« Er schüttelte mißbilligend den Kopf. »Kein Wunder, daß Sie beinahe ohnmächtig geworden wären. Wie viele davon haben Sie genommen?«
    »Nur zwei.«
    »Um Gottes willen.«
    »Sind Sie sicher, daß es - Haldol ist?«
    »Fast sicher. Aber ich sehe vorsichtshalber noch einmal nach.« Er verschwand für ein paar Minuten hinter einem Regal mit Akten und Büchern und kehrte dann mit einem schweren blauen Band zurück. »Da finden wir alles.« Er schlug das Buch auf. »Sehen Sie? Sogar mit Illustrationen.«
    Janes Blick wanderte über die Seiten aus Glanzpapier, sie überflog die Liste von Medikamenten, die von Abbildungen der jeweiligen Tabletten ergänzt wurde. Der Apotheker blätterte zu >H<. Schnell hatte er ›Haldol‹ gefunden. Er legte eine der kleinen Tabletten auf die Seite neben der Abbildung.

    »Sehen Sie? Die gleiche Größe und die gleiche Farbe. Beide haben die gezackten Ränder und die Einkerbung in der Mitte. Das ist eindeutig Haldol.«
    »Und das ist gar kein Mittel gegen Schlaflosigkeit?«
    »Gegen Schlaflosigkeit gibt es Tausende einfacher Mittel, die Sie ohne Rezept bekommen können. Haldol gibt man bei Psychosen.«
    »Was?«
    »Haldol ist gewissermaßen ein letztes Mittel. Man gibt es Leuten, die an schweren Depressionen leiden. Wenn das aber jemand nimmt, der keine Depressionen hat, kann das Mittel sie hervorrufen.«
    »Das heißt also, wenn jemand, der eigentlich gar nicht an Depressionen leidet, Haldol nimmt, dann bekommt er Depressionen?«
    »Wenn man Haldol lange genug ohne triftigen Grund nimmt, ist man am Ende nur noch eine menschliche Hülle. Ganz abgesehen davon, daß das Mittel sämtliche Symptome der Parkinsonschen Krankheit hervorrufen kann.«
    »Und was sind das für Symptome?«
    »Schluckbeschwerden, Krämpfe, Zittern...«
    »Sabbern auch?«
    Er nickte. »Es stellen sich

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