Lauf, so schnell du kannst
dass Angie entkommen war und irgendwo dort draußen sein musste, trotz des Umstandes, dass ein Killerbär in der Nähe war … es hätte ganz einfach sein sollen.
War es aber nicht.
Er wusste, dass er kein großer Outdoor-Mensch war, aber er war klug, und er war besser vorbereitet als irgendjemand sonst, den er kannte. Er hatte ein Jahr lang reiten geübt. Er hatte die Pistole gekauft und damit trainiert. Er war so gut vorbereitet, wie er es seiner Erwartung nach logischerweise auch hätte sein müssen. Doch dieses abartige Wetter – mit der Heftigkeit des Gewitters und den sintflutartigen Regenfällen hätte er unmöglich rechnen können.
Er hatte auf dem Marsch von den Bergen herunter keine großen Probleme erwartet, falls er nicht durch eine böse Laune des Schicksals einer bewaffneten und angepissten Angie Powell begegnete. Als er das Lager gefunden hatte, war er sicher gewesen, dass er es zu Lattimores Ranch schaffen konnte. Er wusste, welcher Weg nach unten führte; und er hatte vor Beginn der Tour Karten studiert, weil er wusste, dass er den Weg vom Berg hinunter allein machen würde. Es war ein Vorteil, dass er und das Pferd gut miteinander klarkamen. Aber der starke Regen hatte ihn ausgebremst, hatte den Weg so trügerisch werden lassen, dass jeder einzelne Schritt ein Sieg war. Er hatte sich im Zickzack um Hindernisse herum bewegt, die beim Aufstieg noch nicht da gewesen waren, und nach einer Weile hatte er jede Vorstellung davon verloren, wo der Pfad verlief.
Wasser rauschte den Berg in unzähligen Bahnen hinunter, die erst zu Bächen und dann zu ganzen Flüssen wurden. Der Boden unter den Hufen des Pferdes war weich und unsicher und ließ es nervös werden, sodass es leicht scheute. Einmal stolperte das Pferd, und Chad hielt den Atem an und betete, während das Tier sein Gleichgewicht wiederfand. Wenn es sich ein Bein brach, würde er gezwungen sein, den Rest der Strecke zu Fuß zu gehen. Zu Fuß würde er aber sicher nicht weit kommen, nicht bei diesen Verhältnissen.
Nach einigen Stunden, die ihm wie ein unablässiger Kampf vorkamen, war er erschöpft von der Anstrengung, sich auf dem Pferd zu halten und hochkonzentriert auf jede Einzelheit zu achten. Ständige Wachsamkeit war ebenso ermüdend wie körperliche Anstrengung. Wenigstens war das Pferd jetzt gesattelt, was das Reiten erleichterte. Er hatte sich trockene Sachen und seinen Regenmantel angezogen, bevor er sich auf den Weg gemacht hatte, sodass er zumindest nicht tropfnass war, aber die klamme Kälte drang ihm langsam bis in die Knochen. Einmal hatte er absitzen müssen, um das Pferd über eine besonders tückische Stelle zu führen; er war ausgerutscht und ins Wasser gefallen, sodass er auch noch nass gewesen war, verdammt noch mal. Er hasste diesen beschissenen Regen. Als er nass war, wurde ihm immer kälter; seine Gelenke schmerzten, und er zitterte unkontrolliert. Jede Bewegung, wie klein sie auch sein mochte, kostete ihn große Mühe. Er hatte das Gefühl, als wäre er binnen Stunden um zwanzig Jahre gealtert. Wenn es jetzt noch schlimmer wurde, würde er es nicht überleben.
Schließlich musste er eine Entscheidung treffen. Wenn er es bis zum Einbruch der Dunkelheit nicht zu Lattimore schaffte oder zumindest bis in seine Nähe, dann würde er richtig in der Scheiße stecken. Er war in einem Meer aus Schlamm vom Pferd gestiegen, hatte einen Proteinriegel aus der Satteltasche genommen und unglücklich und sauer im Regen gestanden, den Kopf gesenkt, um seinen kleinen Happen trockenes, geschmackloses Essen vor dem Regen zu schützen, während er kaute und nachdachte. Er war nicht sehr weit gekommen, nicht annähernd so weit, wie er geplant hatte, und er konnte entweder versuchen, sich jetzt irgendwo unterzustellen und es auszusitzen, oder er konnte zum Camp zurückkehren. Beide Möglichkeiten bargen Risiken. Die gute Nachricht war: Wenn er es nicht vom Berg schaffte, konnte Angie es auch nicht. Sie hatte sich wahrscheinlich irgendwo in einer Höhle verschanzt, und das Miststück wusste bestimmt, wie man selbst bei solchen Wassermassen trockenes Holz fand und Feuer machte.
Er wollte nicht in einer Höhle oder wie in der vergangenen Nacht unter einem Felsüberhang kauernd das Ende des Gewitters abwarten. Was er wirklich wollte, war eine schöne Hotelsuite mit Zimmerservice und einem Whirlpool, der bis zum Rand mit heißem Wasser gefüllt war. Er wünschte sich saubere Bettlaken, eine weiche Matratze und einen Stapel warmer Decken. Er
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