Lauf, so schnell du kannst
wollte einen Teller heiße Hummercremesuppe schlürfen und eine Kanne noch heißeren Kaffees trinken. Leider würde das alles warten müssen.
Jetzt mochte er zwar noch keinen Zugang zu diesem Hotelzimmer und allem, was damit einhergehen würde, haben, aber im Camp gab es immerhin Zelte und erheblich mehr Komfort als hier draußen auf dem Berg. Er hasste es umzukehren, aber er war sich nicht sicher, wie lange er würde warten müssen, bevor er in einem anständigen Tempo reiten konnte. Im Camp hatte er Lebensmittel, ein Dach über dem Kopf und trockene Kleidung. Ja, die Überreste von Davis’ Leiche waren ebenfalls dort, aber er schätzte, dass der Bär alles gefressen hatte, was er wollte, und weitergezogen war. Machten sich danach nicht andere Tiere schnell über die Reste her? Wahrscheinlich war von Davis inzwischen nichts mehr übrig.
Er schauderte. Wenn er zu viel über das nachdachte, was er gesehen hatte, würde er weder vor noch zurück können, er würde vor Entsetzen erstarrt sein, und dann würde er buchstäblich hier sterben, sei es an der verdammten Kälte oder durch Angie oder wegen irgendeiner anderen Komplikation, die nur darauf wartete, ihm ein Bein zu stellen.
Nein, hierzubleiben war keine Option. Er war nicht so weit gekommen, um aufzugeben, egal aus welchem Grund.
Widerstrebend führte er das Pferd den gleichen Weg zurück, den sie gekommen waren. Er wollte es nicht riskieren, das Tier, das ihn von diesem Berg bringen sollte, auf dem unsicheren Gelände dadurch zu verletzen, dass er für die Strecke durch den Schlammfluss, in dem er sich befand, wieder in den Sattel stieg. Er fluchte leise vor sich hin, wütend darüber, zur Umkehr gezwungen zu sein. Aber er hatte keine andere Wahl. Doch ein Gutes hatte die Sache: Er freute sich sehr darauf, aus diesem verdammten Regen herauszukommen.
Er saß fest, bis das Wetter aufklarte, und das konnte er genauso gut akzeptieren. Aber das Gleiche galt für Angie, folglich würde sie ihm nicht näher kommen können als in der vergangenen Nacht, als sie wahrscheinlich ein gutes Stück weit gegangen war, weil die Flutbedingungen noch nicht ganz so schlimm gewesen waren. Sie war allerdings nur zu Fuß unterwegs, weshalb er die verlorene Zeit schnell wieder aufholen würde, sobald er losreiten konnte.
Egal. Sein ultimatives Ziel blieb unverändert; es würde nur länger dauern, es zu erreichen, als er geplant hatte. Ein guter Stratege war flexibel.
Also kehrte er auf seinem Weg den Berg hinunter um, und zu seinem Entsetzen stellte er fest, dass er jetzt schon wegen der endlosen Wassermassen, die vom Himmel stürzten und den Berg hinabströmten, Umwege machen und von der Strecke abweichen musste, die er vor nur wenigen Stunden geritten war. Ängstlich bemerkte er, dass es dunkler wurde, also sagte er sich: Scheiß drauf, und stieg in der Hoffnung wieder in den Sattel, sein Tempo ein wenig zu beschleunigen.
Schließlich erreichte er das Camp im letzten Tageslicht.
Er brachte das Pferd in den Pferch; ihm war jede Minute zuwider, die er sich um das Tier kümmern musste, bevor er sich um sich selbst kümmern konnte, aber ohne das Pferd würde er tief in der Scheiße sitzen, daher zwang er sich, sich die Zeit zu nehmen. Er gab dem Bastard sogar Futter. Dann stolperte er in sein Zelt, schaltete die Laterne und den kleinen Campingheizer ein und schälte sich aus seinen nassen Sachen. Fuck, war ihm kalt!
Er hatte noch nie zuvor trockene, saubere Kleidung als Luxus betrachtet, aber während er sich schnell mit einem Handtuch abtrocknete, wusste Chad, dass er die einfachen Dinge wie Essen, Wasser und Schutz nie wieder für selbstverständlich nehmen würde. Dieses Leben war nichts für ihn, so viel stand fest.
Er
wollte
die wesentlichen Dinge für selbstverständlich nehmen. Er wollte vergessen, was für ein Gefühl es war, nass zu sein und zu frieren, er wollte all das hinter sich lassen und nie mehr zurückblicken. Er wollte wieder rund um die Uhr Komfort erwarten – oh, und welchen Komfort er sich mit dem Geld leisten konnte, das er beiseitegeschafft hatte! Er brauchte nur von hier zu verschwinden, was er weder heute noch heute Abend und wohl auch morgen nicht würde tun können.
Er zog sich an: trockene Unterwäsche, Jeans, ein Tarn-Sweatshirt, das sich auf seinem eisigen Körper himmlisch anfühlte, außerdem dicke Socken. Dummerweise hatte er keine Ersatzstiefel, daher ließ er seine Stiefel neben dem Gasheizer an der Seite stehen. Vielleicht würden sie ja
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