Lauf, so schnell du kannst
Rutschen kamen.
Die Sonne würde erst in anderthalb Stunden aufgehen, also würde es Tag sein, wenn sie ihr Fahrziel erreicht hatten. Sie würden die Pferde ausladen, sie satteln und sich auf den Weg machen. Sie fuhr gern frühmorgens im Dunkeln, mochte das Gefühl, einen Vorsprung zu haben und zuzusehen, wie die Dunkelheit langsam verblasste und mehr und mehr von der unglaublichen Landschaft sichtbar wurde. Die Musik störte nicht, sondern trug zu der Schönheit des frühen Morgens bei. Sie dachte noch einmal ganz kurz an Dare und seine rücksichtslose Taktik bei dem Immobilienerwerb, aber sie weigerte sich, sich deswegen verrückt zu machen. Diese Zeit gehörte ihren Kunden, und sie hatte nicht die Absicht, sie übers Ohr zu hauen, indem sie sich nicht voll auf das konzentrierte, was sie tat, selbst wenn es nichts Anspruchsvolleres war, als Auto zu fahren.
Pünktlich bog sie auf das Grundstück von Ray Lattimore ein. Es war zwar nicht groß, aber er verdiente sich ein bisschen was dazu, indem er Parkplätze für geführte Gruppen und Wanderer bereitstellte. Angie bezahlte ihn gern. Selbst wenn er den doppelten Preis verlangt hätte, wäre es das wert gewesen, denn so brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, dass in ihren Truck eingebrochen wurde oder man ihr den Hänger stahl.
Ray kam raus, um sie zu begrüßen und ihr zu zeigen, wo sie parken sollten. Davis und Chad standen an der Seite, während Ray ihr half, die Pferde auszuladen, was nett von ihm war, weil er das nicht musste. Er warf ihren beiden Kunden einen scharfen Blick zu und machte sich wortlos nützlich.
Die vier Pferde tänzelten nervös und wussten, dass das Ende der Fahrt Bewegung bedeutete. Angie nahm das größte als Packpferd, einen trittsicheren Schwarzbraunen namens Samson. Wenn er ein passendes Reittier gewesen wäre, hätte sie ihn Chad gegeben, weil er so trittsicher war, aber Samson hatte mehr schlechte Angewohnheiten als die Rolling Stones zusammen. Er hasste es, geritten zu werden, er bockte und ging seitwärts und scheute, er versuchte zu beißen und blies den Bauch auf, wenn man versuchte, ihn zu satteln, dann versuchte er, seinen Reiter an einem Busch, einem Baum oder einem Gebäude abzustreifen, alles, was gerade da war. Aber er hatte kein Problem damit, eine Last zu tragen, und er war so stark, dass er mehr tragen konnte als ein durchschnittliches Pferd.
Nie hätte sie es jemandem gegenüber zugegeben, aber sie mochte den störrischen Bastard ganz gern. Er war eben, wie er war, er wusste, was er tun und was er nicht tun würde, und sie kamen gut miteinander klar, solange weder sie noch jemand anders ihn zu reiten versuchte.
Die anderen drei Pferde, ein Hellbrauner, ein Fuchs und ein Farbwechsler, hatten ihre eigenen Marotten, aber wenigstens tolerierten sie Reiter. Das Pferd, das sie für sich gewählt hatte, der Farbwechsler, war widerspenstiger als die beiden anderen, was auch der Grund dafür war, warum sie ihn selbst nahm. Sie hatte ihn noch nicht lange und kannte noch nicht all seine Tricks, aber wenn er beschloss, zu beißen oder zu bocken, dann besser bei ihr als mit einem Kunden. Der Fuchs war der Fügsamste, also gab sie ihn Chad. Der Hellbraune lag in Bezug auf Temperament irgendwo zwischen dem Fuchs und dem Farbwechsler.
»Heute Nacht und morgen solls regnen«, sagte Ray zu ihr, als sie die Klappe des Hängers schloss und verriegelte. »Kein gutes Jagdwetter.«
»Ich weiß.« Der Regen war nicht gut für Menschen; die Tiere jagten und fraßen, ob es nun regnete oder nicht. »Aber wir werden heute irgendwann ankommen.«
»Viel Glück. Ich hoffe, ich seh dich morgen wieder hier.«
Sie ließ ein Lächeln aufblitzen. »Das
wäre
schön, aber selbst wenn sie heute einen Bären erwischen, möchte ich lieber nicht im Regen hierher zurückreiten.« Der Wetterbericht, den sie gesehen hatte, sagte Gewitter voraus, was ungewöhnlich für diese Jahreszeit sein würde – ungewöhnlich zwar, aber nicht unbekannt. Eins der schlimmsten Gewitter, an das sie sich erinnern konnte, war im November gewesen, als sie noch in der Grundschule war. Regen war jedoch fast immer willkommen, egal zu welcher Jahreszeit.
Sie begann, die Pferde zu satteln, und wieder half Ray mit, denn Chad beobachtete sie mit einem vollkommen verwirrten Gesichtsausdruck, und Davis runzelte finster die Stirn, während er auf seinem Handy herumtippte, als könnte er es dazu zwingen, hier draußen Empfang zu bekommen, wenn er nur die magische Kombination an
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