Lauf, so schnell du kannst
dann war eine weitere Gewitterwelle herangerollt, und die zweite war noch schlimmer gewesen als die erste. Er hatte seine Zeit damit verbringen müssen, von Pferd zu Pferd zu gehen und die Bastarde zu beruhigen, bis auch dieser Sturm über die Berge abgezogen war.
So war es die ganze Nacht gegangen. Die Gewitter kamen immer weiter, und der Regen hörte nicht auf. Jetzt war es hell geworden, aber der Tag schien nicht viel besser zu sein als die Nacht, abgesehen von der Tatsache, dass er zumindest etwas sehen konnte – aber was er sehen konnte, war nicht schön. All dieses Wasser, das von oben herunterrauschte, hatte Rinnsale in brodelnde Flüsse verwandelt, Bäche in reißende Ströme, und die Berghänge in weite Flächen aus Schlamm, von denen er befürchtete, dass sie ins Rutschen kommen und Bäume und Felsen und alles andere in ihrem Weg mitreißen würden.
Ihm war kalt. Er schätzte, es war eine gute Sache, dass er die Pferde hatte. Aber es war sicher keine gute Sache, die ganze Nacht auf engem Raum mit vier von ihnen zu verbringen. Sie pissten, sie schissen, sie furzten. Manchmal hatte er das Gefühl, ihm brenne der Gestank das Haar aus der Nase, aber jedes Mal, wenn er versuchte, etwas Abstand zwischen sich und die Tiere zu bringen, trieb ihn die Kälte zu ihnen zurück. Sie stanken zwar, aber sie gaben auch viel Wärme ab. Chad hatte einen persönlichen Elendsindex, den er formlos führte, und das hier kam ziemlich nah an eine Zehn heran. Er wusste gern, wer ihm wie viel Ärger machte, aber er dachte, dass es zu sehr an Verrücktheit grenzen würde, solche Dinge aufzuschreiben. Außerdem schrieb er nie etwas auf, das für ihn irgendwann einmal unliebsame Konsequenzen haben könnte.
Mitchell Davis und Angie Powell hatten dafür gesorgt, dass er eine elende Nacht verbracht hatte, und das nahm er ihnen beiden sehr übel, obwohl Davis bereits tot war. Wenn er nicht auf die prächtige Idee gekommen wäre, sich im Dunkeln auf Angies Veranda zu setzen, sodass er Zugang zu ihrem WLAN hatte, wäre er nicht in der Lage gewesen, diese Geschäftszahlen aufzuspüren, und Chad hätte sie beide auf die Weise töten können, wie er es geplant hatte. Keiner von beiden hätte gewusst, was eigentlich geschah; Angie wäre ausgeklammert gewesen, und er hätte sich keine Sorgen darum zu machen brauchen, wo sie war. Da wäre immer noch der Regen gewesen, aber er hätte die Nacht gemütlich in seinem Zelt verbringen können; er hätte etwas zu essen und Wasser gehabt, und diese beschissenen, dummen Pferde hätten in ihrem Pferch gestanden, anstatt ihn mit ihren Fürzen fast zu ersticken.
Nach der Art zu urteilen, wie es noch immer vom Himmel schüttete, sah es nicht so aus, als würde die Sonne in absehbarer Zeit hervorkommen. Das konnte gut sein, konnte aber auch schlecht sein. Der Regen würde Angie den Abstieg vom Berg unmöglich machen, falls sie noch lebte, was er so lange annehmen musste, bis er etwas anderes erfuhr. Aber er behinderte auch sein eigenes Vorankommen. Alles war voller Schlamm, der Boden war trügerisch, und er könnte sich eine Unterkühlung zuziehen, während er zum Lager zurückritt. Um es noch schlimmer zu machen, war die Sicht selbst bei Tageslicht so schlecht, dass er sich dem Camp auf hundert Meter nähern konnte, ohne es zu sehen, was nicht gut war, da er sich nicht vollkommen sicher sein konnte, wo es sich befand.
Aber er hatte keine Wahl; er hatte nicht den Luxus des Wartens, seine gegenwärtige Lage bot allerdings überhaupt keine Art von »Luxus«. Er musste die Schlüssel zu dem SUV holen und das Land verlassen, bevor die Cops verständigt werden konnten und anfingen, nach ihm zu suchen. Er durfte nicht auf besseres Wetter warten, denn er konnte es sich jetzt nicht leisten, auch nur eine Stunde zu verschwenden.
Die Pferde waren ein Problem. Sie brauchten Futter und Wasser, aber nach der Nacht, die er hinter sich hatte, scherte er sich einen Dreck um diese verdammten Tiere. Er musste den Fuchs füttern und tränken, weil er plante, auf ihm von hier fortzureiten, sobald das Wetter aufklarte, aber was die anderen drei betraf, so war ihm nur wichtig, dass Angie keins von ihnen bekam, vorausgesetzt, sie war überhaupt noch am Leben und imstande zu reiten, was wiederum die Annahme war, von der er ausgehen musste, bis er Genaueres wusste.
Wasser war leicht zu bekommen; Wasser war überall. Er wollte nur nicht den Schutz des Überhangs verlassen, weil er keinen Regenmantel hatte und sein Mantel noch
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