Lauf, so schnell du kannst
panisch von der blitzartigen Geschwindigkeit, mit der sich die Situation verändert hatte.
»Den ersten kannst du dir selber denken.« Er schenkte ihr ein echtes Lächeln, eines, das Fältchen in den Winkeln dieser leuchtend blauen Augen bildete. Und wenn sie gestanden hätte, wären ihre Knie weich geworden. Oh, Gott sei Dank lächelte er nicht allzu oft, dachte sie inbrünstig, denn die Wirkung war tödlich. »Und den zweiten erzähle ich dir später.«
»Warum nicht jetzt?«
Verdammt!
Was war bloß los mit ihr? Warum ließ sie es nicht auf sich beruhen, hielt den Mund und ließ das Thema fallen? Dare Callahan hatte gerade ihre Hand auf seinen Penis gelegt, und sie musste aufhören, an ihn zu denken, musste ihn davon ablenken, daran zu denken, und ganz allgemein so tun, als wäre es nie passiert. Sie wedelte mit der Hand, als wollte sie die Worte auslöschen. »Vergiss es. Ist nicht wichtig.«
»Das ist Ansichtssache, aber es kann warten.« Er gähnte und setzte sich auf, drehte den Hals von einer Seite zur anderen, streckte die Arme über den Kopf und rollte die Schultern, dann verzog er das Gesicht, als Bänder knackten. Sie hierher zu schaffen musste eine ungeheure Anstrengung für ihn gewesen sein, dachte sie schuldbewusst. Sie hatte ihm gedankt, aber Worte würden ihm niemals das vergelten können, was er getan hatte.
»Musst du noch mal nach draußen?«, fragte er, während er den Hals von einer Seite zur anderen drehte, was weitere Knackgeräusche hervorrief.
»Nein, nicht nötig.« Sie machte eine hilflose Geste. »Tut mir leid.«
»Was tut dir leid?«
»Dass ich dich fast zum Krüppel gemacht habe. Du klingst wie Reis-Krispies, wenn du dich bewegst.«
»Knisper, knasper, knusper? Teufel, so klinge ich jeden Morgen, wenn ich aufstehe.«
»Ich muss es schlimmer gemacht haben.«
»Am schlimmsten war der Schlamm. Jemanden zu tragen, der bei Bewusstsein ist, ist gar nicht so anstrengend. Aber totes Gewicht ist ätzend.« Er sagte es mit der etwas geistesabwesenden Art eines Menschen, der an das Tragen von totem Gewicht gewöhnt war. Dann schwang er sich mit einer Leichtigkeit auf die Füße, die alle wunden Muskeln oder Steifheit Lügen strafte. »Ich bin halb verhungert. Hast du irgendeinen Wunsch, was das Abendessen betrifft? Es ist genug zu essen da. Ich habe immer Vorräte hier oben, außerdem habe ich noch mehr mitgebracht, als ich heraufgekommen bin. Wir haben Trockenfleisch oder Powerriegel, wenn du was Leichtes haben möchtest, oder ich kann etwas Wasser heiß machen und Suppe oder Eintopf kochen …«
»Eintopf«, sagte sie und setzte sich auf, während ihr bei dem Gedanken das Wasser im Mund zusammenlief. Sie hatte einen Bärenhunger, was in Anbetracht der ganzen Kalorien, die sie in der Nacht verbraucht hatten, nicht überraschend war. Außer dem Zuckerwasser, das er für sie gekocht hatte, und einem Powerriegel für jeden hatten sie seit fast vierundzwanzig Stunden nichts gegessen. »Kann ich irgendetwas tun, um zu helfen?«
»Räum auf, wo du rankommst«, erwiderte er. »Ich habe heute Morgen eine ziemliche Unordnung hinterlassen.«
Absurderweise war sie dankbar, dass er ihr Angebot nicht einfach abtat. Nein, sie war nicht sehr beweglich und konnte nicht viel tun, aber sie konnte definitiv durch den kleinen Raum kriechen und die schmutzigen, nassen Kleidungsstücke aufheben, die überall verstreut herumlagen. Ihre schlammigen Stiefel hatten sie liegen gelassen, wo sie hingefallen waren, ihr dreckverkrustetes Gewehr und die Tasche lehnten in einer Ecke, obwohl Dares Gewehr in Reichweite war. Die Becher, die sie am Morgen benutzt hatten, standen auf dem Boden, daneben lag das Einwickelpapier der Powerriegel.
Dare war ein Mann des Militärs; dass er seinen Bereich nicht aufgeräumt hatte, sagte ihr mehr als tausend Worte darüber, wie erschöpft er gewesen war, als er sie am Morgen die Leiter hinaufgetragen hatte.
Sie machte sauber, so gut sie konnte, warf den Abfall in eine Mülltüte und legte die nassen Sachen zu einem ordentlichen Haufen zusammen, damit er sie nach unten bringen und über den Boxen zum Trocknen aufhängen konnte. Während sie damit beschäftigt war, brachte Dare den Campingkocher in ihre kleine Schlafstelle, stellte ihn ab und zündete ihn an. Sie verstand, warum er keine Wärme verschwenden wollte. Zum Glück war ihr jetzt nicht mehr kalt, aber in der Hütte war es definitiv kühl.
»Das ist eine interessante Konstruktion«, bemerkte sie und deutete mit der Hand
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